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Papillon

Papillon

Titel: Papillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Charrière
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gesehen! Sind sie alle auf Ferien? Du kannst nicht leugnen, daß du doch so irgendeine Art Glückspilz bist, wenn auch ein seltsamer. Du wirst sehen, diesmal geht alles gut.
Die
Flucht ist in Ordnung. Von all den Fluchten, die du unternommen hast, gut vorbereitet und ausgeklügelt, wird es am Ende
diese
sein, eigentlich die idiotischste von allen, die dir den Erfolg bringt: zwei Kokossäcke, und dann überlaß dich Wind und Meer … Du kommst zum Festland. Gib zu, man muß nicht die Militärschule von Saint-Cyr absolviert haben, um zu wissen, daß jedes Strandgut an der Küste landet.
    Wenn Wind und Wellen sich den ganzen Tag über mit der gleichen Kraft halten wie bei Nacht, werde ich bestimmt am Nachmittag an Land kommen.
    Das Ungeheuer der Tropen taucht hinter mir auf. Es sieht ganz danach aus, als wäre es heute entschlossen, mich zu rösten, denn es tritt mit seinen allerfeurigsten Flammen hervor. Im Nu verkocht es die Mondnacht in seinem Glutkessel. Es wartet nicht einmal ab, bis es ganz aus seinem Bett gestiegen ist, und wirft sich schon zum Herrn auf, zum unbestrittenen König seines unendlichen Erdstrichs. Sogar der Wind ist im Nu sanft geworden. In einer Stunde wird es heiß sein. Ein Gefühl des Wohlbefindens verbreitet sich durch meinen Körper. Kaum haben mich die ersten Strahlen berührt, durchläuft mich vom Gürtel bis zum Kopf süße Wärme. Ich wickle mir den Turban herunter und halte meine Wangen den Strahlen hin, wie man es tut, wenn man an einem Holzfeuer sitzt. Bevor es mich verbrennt, will das Ungeheuer mir zu spüren geben, wie sehr es das Leben ist, bevor es zum Tod wird. Das Blut fließt lebhafter durch meine Adern, und selbst meine nassen Schenkel fühlen die beschleunigte, belebende Blutzirkulation.
    Ich sehe ganz klar den Busch, die Baumwipfel. Ich habe den Eindruck, daß es nicht mehr weit ist. Ich werde warten, bis die Sonne etwas höher steigt, dann werde ich mich aufrecht auf meine Säcke stellen und Sylvain zu entdecken trachten. In weniger als einer Stunde steht die Sonne schon recht hoch. Es wird verdammt heiß werden. Mein linkes Auge ist halb geschlossen und verklebt. Ich nehme eine Handvoll Wasser und reibe es. Es brennt. Ich ziehe meine Joppe aus: solange die Sonne nicht allzu stark strahlt, werde ich den Oberkörper nackt lassen.
    Eine stärkere Welle – stärker als die andern – hebt mich von unten auf und trägt mich sehr hoch. In dem Augenblick, da sie ihren Gipfel erreicht hat, bemerke ich, eine halbe Sekunde lang, meinen Kumpel. Er sitzt mit nacktem Oberkörper auf seinem Floß. Er hat mich nicht gesehen. Mindestens zweihundert Meter weg ist er, ein wenig links vor mir. Der Wind ist noch immer stark, und so beschließe ich, um mich ihm, der ja vor mir treibt, zu nähern, die Joppe nur über die Arme zu ziehen, sie in die Luft zu halten und das untere Ende zwischen die Zähne zu nehmen. Dieses »Segel« wird mich sicherlich schneller vorwärtsbringen.
    Eine halbe Stunde segle ich so dahin. Aber die Joppe tut mir weh zwischen den Zähnen, und die Kräfte, die ich brauche, um dem Wind standzuhalten, erschöpfen sich schnell. Als ich es aufgebe, habe ich immerhin die Befriedigung, schneller vorwärts gekommen zu sein als allein durch den Wellengang.
    Hurra! Eben habe ich den »Langen« gesehen, kaum hundert Meter weit. Aber was tut er denn da? Er scheint sich gar nicht darum zu scheren, wo ich sein könnte. Wenn mich die eine oder andere Welle stark hochhebt, sehe ich ihn wieder – ein-, zwei-, dreimal. Ich habe genau gesehen, daß er seine rechte Hand an die Augen hält, er muß also das Meer absuchen. Schau nach hinten, Idiot! Sicher hat er das auch getan, aber er hat dich nicht gesehen.
    Ich stelle mich auf und pfeife. Als ich aus dem Wellental heraufkomme, sehe ich Sylvain mit dem Gesicht zu mir gekehrt. Er schwingt seine Joppe in der Luft. Wir sagen uns mindestens zwanzigmal guten Tag, bevor wir uns wieder niedersetzen. Bei jedem Wellenhoch grüßen wir uns, und zufällig hat er eine Weile das Wellenhoch immer gleichzeitig mit mir. Bei den zwei letzten Wellen streckt er den Arm gegen den Busch aus, den man jetzt schon in Einzelheiten sehen kann. Zehn Kilometer werden wir wohl noch von ihm entfernt sein. Eben habe ich mein Gleichgewicht verloren und bin aufs Floß gefallen. Nun, da ich meinen Freund und das Festland so nahe gesehen habe, ergreift mich eine so ungeheure Freude, eine solche Rührung, daß ich in Tränen ausbreche wie ein Kind. Zwischen den Tränen,

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