Papillon
brüllend vorwärts stieß, schleuderte mich buchstäblich unter die Bäume.
Ich ziehe den Bolzen heraus und befreie mich von der Kette. Ich werfe sie nicht fort, vielleicht werde ich sie noch nötig haben.
Im Busch
Noch bevor die Sonne untergeht, dringe ich schnell; halb schwimmend, halb gehend, in den Busch ein, denn auch dort gibt es den Morast, der einen einsaugt. Das Wasser dringt sehr weit in den Busch vor, und als die Nacht einbricht, bin ich noch immer nicht auf dem Trockenen. Verwesungsgeruch steigt mir in die Nase, und von den starken Gasen stechen mich die Augen. Meine Beine sind mit Gräsern und Blättern bedeckt. Noch immer stoße ich meinen Sack vorwärts. Vor jedem Schritt tasten meine Füße zuerst den Boden unter dem Wasser ab, und nur, wenn ich nicht einsinke, gehe ich vorwärts.
Auf einem großen, umgebrochenen Baum verbringe ich die erste Nacht. Massen von Insekten krabbeln über meinen Körper, der zu brennen und zu jucken beginnt. Ich habe die Wolljoppe ausgezogen, nachdem ich meinen Sack auf dem Baumstumpf ausgebreitet und an seinen beiden Enden gut angebunden habe. In dem Sack steckt für mich das Leben, denn die Kokosnüsse, hat man sie einmal offen, geben mir Nahrung und somit die Möglichkeit durchzuhalten. Mein Buschmesser ist an meinem rechten Handgelenk befestigt.
Erschöpft strecke ich mich auf dem Baum aus, in der von zwei Ästen gebildeten Mulde, die mit ihrem Blätterwerk eine Art großes Nest abgibt, und schlafe ein, ohne Zeit zu haben, noch an irgend etwas zu denken. Vielleicht habe ich nur zwei- oder dreimal gemurmelt: »Armer Sylvain«, bevor ich mich wie ein Sack fallen ließ. Die Schreie der Vögel waren es, die mich weckten. Die Sonne durchdringt schon den Busch, ihre Strahlen sind horizontal, es muß also sieben oder acht Uhr morgens sein. Rund um mich ist alles voll Wasser, folglich ist Flut, mag sein, das Ende des zehnten Flutwechsels.
Jetzt bin ich schon sechzig Stunden von der Teufelsinsel weg. Ich weiß nicht, ob ich mich weit vom Meer befinde. Auf jeden Fall werde ich abwarten, bis sich das Wasser zurückgezogen hat, und dann ans Ufer gehen, damit ich mich trocknen und ein wenig der Sonne aussetzen kann. Ich habe kein Trinkwasser mehr.
Es sind mir noch drei Hände voll geraspeltes Kokosnußfleisch geblieben, das ich mit Genuß verspeise und zum Teil auch auf meine schmerzenden Stellen streiche. Der Brei mildert dank des Öls, das er enthält, meine Verbrennungen. Dann rauche ich zwei Zigaretten. Ich denke an Sylvain, diesmal ohne Egoismus.
Habe ich nicht anfangs ohne Freund flüchten wollen? Ich hatte doch den Ehrgeiz, mich ganz allein durchzuschlagen. Es hat sich also nichts geändert, nur eine große Traurigkeit preßt mein Herz zusammen, und ich schließe die Augen, als wenn ich dann nicht mehr die Szene sehen würde, wie mein Kumpel versank. Für ihn ist es zu Ende.
Ich habe meinen Sack in dem Nest gut befestigt und öffne den Sack mit den Kokosnüssen. Es gelingt mir, zwei von ihnen aufzuschlagen, indem ich sie mit aller Kraft gegen den Baum zwischen meinen Beinen hämmere. Man muß sie mit der Spitze aufschlagen, damit die Schale sich öffnet, mit dem Messer geht es nicht so gut. Ich esse auf einen Sitz eine ganze auf und trinke die stark zuckerhaltige Milch. Eilig zieht sich das Meer zurück, und ich kann leicht im Morast gehen und das Ufer gewinnen. Die Sonne strahlt, das Meer ist heute von einer Schönheit ohnegleichen. Lange blicke ich zu der Stelle hin, wo ich vermute, daß Sylvain verschwunden ist. Meine Sachen werden schnell trocken, mein Körper ebenso, ich habe ihn mit ein wenig Salzwasser, das ich aus einer Mulde schöpfte, gewaschen. Ich rauche eine Zigarette. Noch ein letzter Blick auf das Grab meines Freundes, dann dringe ich wieder in den Busch ein, ohne daß mir das Gehen besondere Schwierigkeiten bereiten würde. Meinen Sack auf der Schulter, komme ich langsam unter dem Laubdach voran. Nach zwei Stunden finde ich endlich ein Gebiet, das anscheinend nicht überschwemmt wird, an den Baumstämmen keine Spur, die anzeigen würde, daß die Flut bis da herein dringt. Hier werde ich kampieren und mich zunächst vierundzwanzig Stunden lang ausruhen. Ich werde die Kokosnüsse nach und nach öffnen und so wieder in den Sack zurückgeben, damit ich essen kann, wann ich will. Ich könnte ein Feuer anzünden, aber ich überlege mir, daß das unvernünftig wäre. Der Rest des Tages und die Nacht sind ohne irgendwas Besonderes vorbeigegangen. Der Lärm
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