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Papillon

Papillon

Titel: Papillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Charrière
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Quiek legen sich früh schlafen. Ich besuche dann meistens Guittou, oder meine Nachbarinnen kommen zu mir. Sie helfen uns ein bißchen den Haushalt führen. Es ist nicht viel zu tun: Ausfegen, Wäschewaschen, Bettenmachen, das Haus rein halten. Die beiden Schwestern werden gut damit fertig und tun es fast umsonst: für zwei Dollar täglich. Frei zu sein und ohne Angst vor der Zukunft – wie ich das jetzt zu schätzen weiß!
Meine Hindufamilie
    Das Hauptfortbewegungsmittel in dieser Stadt ist das Fahrrad. Ich habe mir also eins gekauft, um leicht überall hinzukommen. Da die Stadt flach ist und ihre Umgebung ebenso, kann man ohne Anstrengung weite Entfernungen zurücklegen. Auf dem Fahrrad ist vorn und hinten ein starker Gepäckträger angebracht.
    Demnach kann ich, wie viele Einwohner es machen, zwei Personen mitnehmen.
    Mindestens zweimal die Woche mache ich eine Spazierfahrt von ein bis zwei Stunden mit meinen Hindufreundinnen. Sie sind verrückt vor Freude, und ich beginne zu bemerken, daß eine von ihnen, die jüngere, im Begriff ist, sich in mich zu verlieben.
    Ihr Vater, den ich noch nie gesehen habe, ist gestern zu uns gekommen. Er wohnt nicht weit von uns, aber er kam niemals zu Besuch, und so kannte ich nur ihre Brüder. Der Vater ist ein hochgewachsener alter Mann mit einem sehr langen Bart, weiß wie Schnee. Seine Haare sind ebenfalls silbern und lassen eine intelligente und edle Stirn frei. Er spricht nur Hindi, seine Tochter muß übersetzen. Ehe er geht, lädt er mich ein, ihn bei sich zu Hause zu besuchen, es sei nicht weit mit dem Fahrrad, läßt er mir durch die kleine Prinzessin, wie ich seine Tochter nenne, sagen. Ich verspreche, daß ich bald kommen werde.
    Nachdem er zum Tee einige Stücke Kuchen gegessen hatte, ging er wieder, nicht ohne bemerkt zu haben, wie genau er jede Einzelheit im Haus unter die Lupe nahm. Die kleine Prinzessin freut sich riesig, daß ihr Vater mit dem Haus und mit uns offensichtlich zufrieden war.
    Ich bin sechsunddreißig, fühle mich gesund und jung, alle Leute halten mich für einen jungen Mann: meine Freunde versichern mir, daß ich nicht älter aussehe als dreißig. Die Kleine hingegen ist neunzehn, von der besonderen Schönheit ihrer Rasse und in der Art ihres Denkens ruhig und voll Gelassenheit. Es wäre für mich ein Geschenk des Himmels, sie lieben zu dürfen und von diesem bezaubernden Mädchen wiedergeliebt zu werden.
    Wenn wir zu dritt ausfliegen, setzt sie sich immer auf den vorderen Gepäckträger. Sie weiß sehr gut, daß ich, wenn sie ganz aufrecht sitzt und ich beim Treten der Pedale meinen Oberkörper vorneigen muß, meinen Kopf sehr nahe an ihrem Gesicht habe. Wirft sie den Kopf nach hinten, kann ich die ganze Schönheit ihrer verschleierten nackten Brüste sehen, und sie sind noch schöner, als wenn sie nicht verschleiert wären. Ihre großen schwarzen Augen leuchten feurig auf, sobald ich ihr ganz nahe bin, und ihr auf der teefarbenen Haut dunkelroter Mund öffnet sich im Verlangen, geküßt zu werden. Pracht volle Zähne, ebenmäßig und hellschimmernd wie Perlen, zieren diesen zauberhaften Mund. Sie hat so eine Art, manche Worte so auszusprechen, daß zwischen den halbgeöffneten Lippen ein winziges Stück von ihrer rosa Zungenspitze sichtbar wird, was den Heiligsten aller Heiligen, die uns die katholische Kirche beschert hat, zum Wollüstling machen würde.
    Heute abend dürfen wir beide allein ins Kino gehen, da ihre Schwester Migräne hat. Eine Migräne, von der ich glaube, daß sie nur vorgeschützt ist, damit wir endlich einmal allein sein können. Sie erscheint in einem weißen Musselinkleid, das bis über ihre Knöchel hinabreicht, die, von drei silbernen Reifen umgeben, beim Gehen nackt hervorscheinen. Sie ist mit Sandalen bekleidet, deren goldene Riemen durch die große und die zweite Fußzehe laufen. Das wirkt sehr elegant. Im rechten Nasenloch trägt sie ein winzig kleines Goldplättchen. Der Kopfschleier aus Musselin ist kurz und fällt leicht auf die Schultern nieder. Ein Goldband rund um den Kopf hält ihn fest. Von dem Band hängen bis zur Mitte der Stirn drei Schnüre herab, die mit buntfarbigen Steinen geschmückt sind. Es ist ein reizender Anblick, und wenn sie das Köpfchen hin und her bewegt, kann man auch noch den tätowierten dunklen Punkt auf ihrer Stirn sehen.
    Das ganze Hinduhaus und auch das meine, repräsentiert von Quiek und dem Einarmigen, blickt uns beiden mit freundlichen Gesichtern nach, als wir beim Weggehen unser

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