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Papillon

Papillon

Titel: Papillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Charrière
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aufgebrannt. Wir sind von solchem Durst gepeinigt, daß Deplanque und Chapar der Versuchung, Salzwasser
zu
trinken, nicht mehr widerstehen konnten. Nachher leiden sie noch mehr. Obwohl uns Durst und Hunger quälen, gibt es gerade dadurch etwas Schönes: Niemand, absolut niemand beklagt sich, und keiner gibt dem anderen irgendwelche Ratschläge. Wer Salzwasser trinken will, wer sich mit Meerwasser überschüttet und behauptet, daß das erfrischt, muß selber draufkommen, daß Salzwasser die Wunden noch mehr aufbeißt und der Sonnenbrand dann noch viel ärger brennt.
    Ich bin der einzige mit einem noch offenen und gesunden Auge, alle meine Kameraden haben vereiterte Lider, die ständig zusammenkleben. Nur bei den Augen ist es gerechtfertigt, sie um den Preis noch größerer Schmerzen zu waschen, denn man
mußte
sie öffnen, blinde Seefahrer sind verloren. Eine bleierne Sonne brennt mit solcher Gewalt auf uns herunter, daß es kaum mehr länger erträglich ist. Deplanque ist bereits halb verrückt und spricht davon, sich ins Wasser zu stürzen und untergehen zu lassen.
    Seit einer Stunde glaube ich, am Horizont Land auszunehmen. Selbstverständlich habe ich es – ohne ein Wort zu sagen, denn ich war meiner Sache nicht ganz sicher – sofort angepeilt. Vögel tauchen auf und fliegen um uns herum, ich habe mich also nicht getäuscht. Das Vogelgeschrei weckt meine Kameraden auf, die, von Glut und Müdigkeit überwältigt, ausgestreckt im Boot liegen und ihr Gesicht mit den Händen gegen die Sonne schützen.
    Guittou spült sich den Mund aus, um einen Ton hervorzubringen, und sagt:
    »Siehst du Land, Papi?«
    »Ja.«
    »Wann glaubst du, werden wir es erreichen?«
    »In fünf bis sieben Stunden… Hört zu, ich kann nicht mehr … Ich kann das Ruder nicht mehr halten … Ich bin mehr verbrannt als ihr … Wir nehmen das Segel herunter und breiten es als Dach übers Boot, bis zum Abend verkriechen wir uns darunter, die Ebbe treibt uns von selber dem Land zu.«
    »Machen wir, Papi.«
    In praller Sonne, gegen dreizehn Uhr, habe ich diese Entscheidung herbeigeführt. Mit einem geradezu animalischen Gefühl der Erleichterung strecke ich mich endlich im Schatten auf dem Bootsboden aus. Meine Kameraden haben mir den besten Platz überlassen, damit ich vom Bug her doch ab und zu einen Lufthauch erhalte.
    Der, der die Wache übernommen hat, muß zwar sitzen, aber auch er ist noch im Schatten des Segels. Alle, selbst der Mann, der wachen soll, verdämmern schnell ins Nichts. Wir schlafen ein.
    Sirenengeheul weckt uns plötzlich auf. Ich schiebe das Segeldach weg – draußen ist Nacht. Wie spät mag es sein? Als ich meinen Platz am Steuer wieder einnehme, streicht eine frische Brise über meinen gemarterten Körper hin, und augenblicklich ist mir kalt. Aber welche Wohltat, nicht mehr verbrannt zu werden! Wir heben das Segel ganz ab, und nachdem ich mir die Augen mit Meerwasser gereinigt habe – glücklicherweise habe ich nur eines, das brennt und tränt –, sehe ich ganz klar zu meiner Rechten und Linken Land. Wo sind wir?
    Auf welche von den beiden Seiten soll ich zusteuern? Nochmals hört man die Sirene jaulen. Das Signal kommt von der rechten Landseite. Was zum Teufel soll das bedeuten?
    »Was glaubst du, wo wir sind, Papi?« fragt Chapar.
    »Keine Ahnung. Wenn dieses Land keine Insel ist, sondern am Rand eines Golfes liegt, so könnte es die Landspitze von Britisch-Guayana sein, der Teil, der am Orinoko liegt, der die Grenze gegen Venezuela bildet. Ist aber das Land zur Rechten von dem links durch einen großen Zwischenraum getrennt, dann haben wir tatsächlich eine Insel, und es ist Trinidad. Links wäre Venezuela, das heißt, wir kämen in den Golf von Paria.« Meine Erinnerung an Seekarten, die ich gelegentlich studieren konnte, bringt mich zu dieser Alternative. Sollte also rechts Trinidad und links Venezuela sein, was werden wir wählen? Von dieser Entscheidung kann unser Schicksal abhängen. Mit diesem frischen Wind, den wir jetzt haben, könnten wir recht gut zur Küste hinsteuern. Im Augenblick treiben wir weder auf die eine noch auf die andere Küste zu.
    Auf Trinidad sitzen die »Roastbeefs«, eine Regierung wie in Britisch-Guyana.
    »Wir werden dort bestimmt gut behandelt«, sagt Guittou.
    »Ja – aber welche Entscheidung werden sie fällen? Wir haben in Kriegszeiten ohne Erlaubnis und heimlich ihr Territorium verlassen.
    »Und was ist mit Venezuela?«
    »Da kann man gar nichts wissen«, sagt Deplanque. »Zur

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