Papillon
kräftigen und rohen Kerle mit einem dichten, schwarzen Bart kein anderes Mittel, »Zimtblüte« zu gewinnen, als vor ihrer Striptease-Szene meinem Hindumädchen dreißig Nummern abzukaufen. Es blieben nur die beiden Nummern für die Bar übrig. Mit seinen sechzig bezahlten Champagnerflaschen sah der Bärtige voll Vertrauen dem nächsten – und für heute letzten – Auftritt von »Zimtblüte« entgegen. Er war völlig sicher, daß er gewinnen würde, mit dreißig Nummern in der Tasche!
Das Mädchen hatte die ganze Nacht getrunken und war besonders erregt. Es war schon vier Uhr morgens, als sie ihren letzten Auftritt hatte. Sie war noch nie so sexy gewesen wie diesmal und zeigte sich in gewagtesten Posen.
Das Rad wird in Bewegung gesetzt, mit seinem kleinen Dorn wird es den Gewinner anzeigen.
Der Bärtige ist ganz verblödet vor Begierde, nachdem er diese aufregende Szene von dem hübschen Zimtmädchen gesehen hat. Er wartet und ist sicher, daß man ihm auf einem Silbertablett die beiden Champagnerflaschen zwischen zwei prachtvollen nackten Schenkeln servieren wird… Katastrophe! Der Kerl mit seinen dreißig Nummern verliert! Die Nummer 31 gewinnt, also einer an der Bar. Zuerst kann er es gar nicht verstehen und begreift seinen Verlust erst, als er sieht, daß das Mädel hochgehoben und auf die Bar gestellt wird. Daraufhin wird der Idiot irrsinnig, stößt die Tische um und ist mit drei Sätzen an der Theke. Den Revolver ziehen und drei Kugeln in das Mädchen hineinjagen, war Sache von drei Sekunden.
»Zimtblüte« ist in meinen Armen gestorben. Ich hob sie auf, nachdem ich das Vieh mit einem Totschläger der amerikanischen Polizei, den ich immer bei mir trage, niedergeschlagen hatte. Nur weil ich mit einer Serviererin, die ein Tablett hoch in ihren Händen trug, zusammengestoßen war, hatte ich mich nicht rechtzeitig dazwischenzuwerfen vermocht, so daß der Rohling gerade noch Gelegenheit fand, seine Wahnsinnstat zu begehen. Ergebnis: Die Polizei hat die »Bambus-Cabane« geschlossen, und wir sind alle nach Georgetown zurückgekehrt.
Nun sind wir also wieder in unserem Haus. Indara, fatalistisch wie echte Hindu sind, hat ihr Wesen nicht geändert. Für sie hat dieses klägliche Ende keinerlei Bedeutung. Wir werden eben etwas anderes beginnen – das ist alles. Für die Chinesen ist es das gleiche. Nichts ändert sich in unserer harmonischen Gemeinschaft. Kein Vorwurf wird laut, daß es meine Idee gewesen war, aus Mädchenschicksalen Vorteile zu ziehen, denn schließlich hat ja diese abwegige Idee zu unserem Fehlschlag geführt. Nachdem wir peinlich genau alle unsere Schulden bezahlt haben, bleibt uns von den Ersparnissen noch so viel, daß wir eine größere Geldsumme der Mutter von Zimtblüte geben können. Wir möchten keine üble Nachrede haben.
Jeden Abend gehen wir in die Bar hinunter, wo sich die Schweren treffen, und verbringen dort angenehme Stunden. Aber Georgetown beginnt mich wegen der Kriegseinschränkungen zu langweilen. Und überdies läßt mich meine Prinzessin, die niemals eifersüchtig gewesen ist und mir immer jede Freiheit gewährte, jetzt keinen Augenblick mehr aus und bleibt neben mir, wo immer ich mich aufhalte.
Die Voraussetzungen für einen neuen Handel in Georgetown sind kaum mehr gegeben. Mich ergreift daher das Verlangen, von Britisch-Guayana weg und in ein anderes Land zu gehen. Es gibt kein Wagnis, denn wir sind im Krieg, und kein Land wird uns ausliefern. So nehme ich wenigstens an.
Flucht aus Georgetown
Guittou ist einverstanden. Auch er glaubt, daß es Länder geben muß, in denen man besser und leichter lebt als in Britisch-Guayana. Wir beginnen unsere Flucht vorzubereiten. Britisch-Guayana unerlaubt zu verlassen ist ein sehr schweres Delikt. Wir sind in Kriegszeiten, und keiner von uns hat einen Paß.
Chapar, der nach seiner Freilassung aus Cayenne geflüchtet ist, befindet sich seit drei Monaten hier. Er arbeitet für einen Dollar fünfzig pro Tag als Eismacher bei einem chinesischen Zuckerbäcker. Auch er will weg von Georgetown. Ein Schwerer aus Dijon, Deplanque, und einer aus Bordeaux sind ebenfalls Fluchtkandidaten. Quiek und der Einarmige ziehen es vor, hierzubleiben, sie fühlen sich hier wohl.
Da die Mündung des Demerara strengstens überwacht ist und ständig im Feuerbereich von Maschinengewehren, Minenwerfern und Kanonen liegt, werden wir ein in Georgetown registriertes Fischerboot kopieren und an seiner Statt ausfahren. Ich mache mir Vorwürfe, daß ich
Weitere Kostenlose Bücher