Papillon
unzufrieden, und der Zauberer läßt mich rufen, um mir zu sagen, daß die beiden ihn gefragt haben, ob sie dem Pferd ein zerdrücktes Glas eingeben könnten, damit es eingeht. Er hat ihnen geraten, das nicht zu tun, weil ich unter dem Schutz irgendeines heiligen Indianers stünde und das Glas aus dem Bauch des Pferdes in ihren eigenen zurückkehren würde. Er glaubt zwar, daß er diese Gefahr bereits gebannt habe, doch könne er nicht garantieren. Soll ich ihnen versprechen, wiederzukommen, um sie zu überreden, mich gehen zu lassen? Nur das nicht, ich soll mir ja nicht anmerken lassen, daß ich im Sinn habe, wegzugehen.
Der Zauberer konnte mir das alles sagen, weil gerade Zorillo bei ihm war und als Dolmetscher fungierte. Ich kehrte nach Hause zurück. Zorillo ist über einen anderen Weg als ich zu dem
Zauberer
gekommen, und niemand im Dorf weiß, daß der Zauberer mich zur selben Zeit hat rufen lassen wie ihn.
Es sind jetzt sechs Monate vergangen, und es drängt mich zum Aufbruch. Eines Tages komme ich ins Haus zurück und finde Lali und Zoraima über die Landkarte gebeugt. Sie versuchen dahinterzukommen, was die Linien, Punkte und Farbflecken darstellen. Am meisten beschäftigt sie die kleine Zeichnung mit den Pfeilen, die die vier Weltrichtungen andeuten. Sie können sich nicht einig werden, aber sie ahnen beide, daß die Karte etwas sehr Wichtiges ist, was mit unserem Leben zusammenhängt.
Der Bauch Zoraimas beginnt zu schwellen. Lali ist etwas eifersüchtig und zwingt mich zu Liebesstunden, ganz gleich um welche Zeit und an welchem Ort. Auch Zoraima erhebt Anspruch auf mich, aber wenigstens nur nachts. Ich habe mit Lali und Zoraima den Vater Zatos, Justo, besucht. Glücklicherweise hatte ich mir die abgepauste Zeichnung aufgehoben; so konnte ich ihm den Tigerrachen in gleicher Güte auf die Brust tätowieren. In sechs Tagen war er fertig, denn die Kruste ist dank einer Waschung mit Wasser, in das er etwas ungelöschten Kalk mischte, rasch abgefallen. Justo ist so zufrieden, daß er sich mehrere Male am Tag im Spiegel betrachtet. Während meines Aufenthaltes bei ihm ist Zorillo gekommen. Ich erlaubte ihm, Justo von meinem Vorhaben
zu
erzählen; ich möchte nämlich, daß er mir das Pferd umtauscht. Die Grauschimmel der Guajiros gibt es nämlich in Kolumbien nicht, und Justo besitzt drei Rotfüchse kolumbischer Abstammung. Kaum hat Justo von meinem Plan gehört, läßt er auch schon die Pferde holen.
Ich wähle das, welches mir am ruhigsten erscheint. Es läßt sich widerstandslos einen Sattel auflegen, mit Steigbügeln, und eine eiserne Trense ins Maul schieben; die Indianerpferde tragen nämlich keinen Sattel, und als Trense wird ein Knochen verwendet. Nachdem das Pferd so ausgestattet worden ist, drückt mir Justo ein Paar Zügel aus braunem Leder in die Hand. Dann gibt er Zorillo vor meinen Augen neununddreißig Goldstücke, das Stück zu hundert Pesos. Zorillo soll sie aufbewahren und mir am Tag des Aufbruchs aushändigen. Er will mir auch seinen Manchester-Repetierkarabiner schenken, aber den nehme ich nicht an.
Überdies sagt Zorillo, daß ich Kolumbien nicht bewaffnet betreten darf. Darauf schenkt mir Justo zwei Pfeile, so lang wie ein Finger. Sie sind in Wolle gewickelt und liegen in einem kleinen Lederetui. Zorillo sagt mir, daß ihre Spitzen in ein sehr starkes, selten vorkommendes Gift getaucht sind und daß er selbst nie solche Pfeile besessen habe. Er muß sie bis zu meinem Aufbruch aufbewahren. Ich weiß nicht, wie ich Justo meine Dankbarkeit ausdrücken soll. Er sagt mir, daß er von Zorillo einiges über mein Leben weiß und daß das, was er nicht kennt, sehr ereignisreich gewesen sein muß, denn ich sei ein ganzer Mann; daß er zum erstenmal im Leben einen Weißen kennengelernt habe und daß er die Weißen vorher für seine Feinde gehalten habe.
Jetzt aber würde er sie lieben und gerne noch einen anderen Mann wie mich kennenlernen.
»Überlege es dir«, sagte er, »bevor du in ein Land gehst, wo du so viele Feinde hast. Hier bei uns bist du unter lauter Freunden.«
Er sagte mir, daß Zato und er über Lali und Zoraima wachen würden und daß das Kind Zoraimas im Stamm einen Ehrenplatz einnehmen werde. Nur wenn es ein Junge wird, selbstverständlich. »Ich möchte nicht, daß du weggehst. Bleibe, und ich werde dir die schöne Indianerin geben, die du bei dem Fest kennengelernt hast. Sie ist noch Mädchen und liebt dich. Du könntest hier bei mir bleiben, in einem großen Haus wohnen und
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