Papillon
Zato und dessen Vater im Zelt. Die Männer nehmen die eine, die Frauen, bis auf die, die uns bedienen, die andere Seite ein. Das Fest endet spät in der Nacht mit einem Tanz. Dazu spielt ein Indianer auf einer Holzflöte, deren Töne scharf und wenig variierbar sind, und bearbeitet zugleich zwei Trommeln aus Hammelhaut. Viele von den Indianern und Indianerinnen sind berauscht, aber es kommt zu keinem einzigen unangenehmen Zwischenfall. Der Zauberer ist auf einem Esel gekommen. Alle betrachteten überrascht die rote Narbe an seinem Fuß, wo einst das Geschwür war, das jeder kannte. Zorilla erklärt mir, daß Zatos Vater Justo heißt, der Gerechte. Er schlichtet die Streitigkeiten, die unter den Leuten seines Stammes und der anderen Gpajirostämme ausbrechen. Er erzählt mir weiter, daß sie bei Zusammenstößen mit einem anderen Indianerstamm, den Japos, Versammlungen abhalten, um zu beraten, ob sie Krieg führen oder alles in Güte bereinigen sollen. Wird ein Indianer von einem Indianer eines anderen Stammes getötet, dann verfügen sie, um einen Krieg zu vermeiden, daß der Mörder für den Toten des anderen Stammes bezahlt. Manchmal beläuft sich das auf zweihundert Rinder, denn auf den Bergen und unten hin haben die Indianer viele Rinder.
Leider impfen sie sie nicht gegen Maul- und Klauenseuche, an der immer eine beträchtliche Anzahl Vieh zugrunde geht. Einerseits sei das gut, meint Zorillo, denn ohne diese Krankheit gäbe es zu viele Rinder. Das Vieh könne in Kolumbien oder Venezuela nicht offiziell verkauft werden, weil man fürchte, die Seuche in diese beiden Länder einzuschleppen. Aber in den Bergen werde viel Schmuggel mit den Viehherden getrieben.
Häuptling Justo läßt mir durch Zorillo sagen, daß ich ihn in seinem Dorf, das angeblich aus fast hundert Hütten besteht, besuchen soll. Er lädt mich ein, mit Lali und Zoraima zu kommen. Er will uns dort eine Hütte geben, wir brauchen nichts mitzunehmen, ich würde dort alles Nötige finden. Nur das Material zum Tätowieren möge ich mitbringen, weil er sich auch einen Tiger machen lassen möchte. Er zieht seine mächtige schwarze Ledermanschette aus und reicht sie mir. Laut Zorillo bedeutet das, daß er mein Freund sei und außerstande, mir einen Wunsch abzulehnen. Er fragt mich, ob ich ein Pferd möchte. Ich sage ja, aber daß ich es nicht annehmen könne, weil es hier fast kein Gras gibt. Er meint, daß Lali oder Zoraima, wenn es nötig wäre, zu Pferd in einem halben Tag einen Ort erreichen könnten, wo es schönes hohes Gras gebe. Ich nehme das Pferd an, das er mir, wie er sagt, demnächst schicken wird.
Ich nehme die Gelegenheit wahr, Zorillo zu sagen, daß ich ihm vertraue und daß ich hoffe, er werde meinen Plan, nach Venezuela oder Kolumbien zu gehen, nicht verraten. Er schildert mir die Gefahren der ersten dreißig Kilometer in der Gegend der Grenze. Den Berichten der Schmuggler zufolge sei die venezolanische Seite noch gefährlicher als die kolumbische. Anderseits könnte er mich auf der kolumbischen Seite fast bis nach Santa Marta begleiten. Diesen Weg hätte ich ja schon einmal gemacht, fügt er hinzu, und Kolumbien sei für mich günstiger. Er findet es auch richtig, daß ich ein anderes Wörterbuch kaufe oder vielmehr ein spanisches mit Alltagsphrasen. Er fände es auch vorteilhaft, wenn ich mich im Stottern übte, denn das mache die Leute nervös; sie vollenden dann die Sätze selbst und achten nicht auf meinen Akzent und meine Fehler. Er will mir die Bücher besorgen, dazu eine Karte von Kolumbien, und er wird sich bemühen, auch meine Perlen zu verkaufen, wenn möglich gegen kolumbisches Geld. Zorillo sagt, daß die Indianer, angefangen vom Häuptling, nichts gegen meine Entscheidung einwenden werden. Sie werden mein Weggehen bedauern, aber sie werden auch verstehen, daß ich zu den Meinen zurückkehren möchte.
Schwieriger wird die Sache mit Zoraima und vor allem mit Lali sein. Die eine wie die andere, aber vor allem Lali, sei durchaus imstande, mich niederzuschießen. Außerdem erfahre ich von ihm etwas, wovon ich keine Ahnung hatte: Zoraima ist schwanger. Ich hatte gar nichts davon gemerkt und falle aus allen Wolken.
Das Fest ist vorüber, alle sind fort, das Zelt ist abgebrochen und alles wieder wie vorher. Zumindest nach außen hin. Ich habe das Pferd erhalten, einen prächtigen grauen Apfelschimmel mit einem Schweif, der fast die Erde berührt, und mit einer wunderschönen silbergrauen Mähne. Lali und Zoraima sind mehr als
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