Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Papst & Teufel - die Archive des Vatikan und das Dritte Reich

Papst & Teufel - die Archive des Vatikan und das Dritte Reich

Titel: Papst & Teufel - die Archive des Vatikan und das Dritte Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Wolf
Vom Netzwerk:
alle Optionen offenhaltend! – für den Erhalt des Status quo, das heißt: Der Heilige Stuhl äußert sich vorläufig nicht in der spanischen Frage. Er erkennt weder Franco noch die Volksfront an, bis die Lage klar ist.[ 67 ] Nachdem die Volksfront-Regierung militärisch besiegt war, stellte sich die Kurie klar auf die Seite Francos. Diese Haltung paßt gut zum «dilata sine die», zur Vertagung der Indizierung von Hitlers
Mein Kampf.
Ein typisch römischer Kompromiß?
    Rosenbergs
Mythus des 20. Jahrhunderts
klar und eindeutig ohne viel Federlesens im Februar 1934 auf den
Index der verbotenen Bücher
gesetzt; Hitlers
Mein Kampf
hingegen von 1934 bis 1937, also fast drei Jahre lang, im Heiligen Offizium intensiv beraten, zur Grundlage eines feierlichen Syllabus und nicht nur eines einfachen Buchverbots genommen und trotzdem nicht indiziert: dieser Befund spricht zumindest für eine gewisse Priorität der Diplomatie vor dem Dogma an der Römischen Kurie jener Jahre. Denn offensichtlich konnte man einen der Chefideologen einer gefährlichen antichristlichen Weltanschauung wie des Nationalsozialismus – Alfred Rosenberg – auch nach Abschluß des Reichskonkordats noch indizieren, den allem Anschein nach legal an die Macht gekommenen Regierungschef eines Staates, mit dem man einen völkerrechtlich bindenden Vertrag abgeschlossen hatte – Adolf Hitler – indes kaum mehr. Durch seine Ernennung zum Reichskanzler und nicht zuletzt durch das mit den Stimmen der katholischen Zentrumspartei verabschiedete Ermächtigungsgesetz war aus dem weltanschaulichen Gegner und Führer einer politischen Ersatzreligion die legale staatliche Obrigkeit geworden. Dieser war man nach katholischer Auffassung zu striktem Gehorsam verpflichtet.
    Die entscheidende Stelle im Römerbrief des Apostels Paulus lautet: «Jeder leiste den Trägern der staatlichen Gewalt den schuldigen Gehorsam. Denn es gibt keine staatliche Gewalt, die nicht von Gott stammt; jede ist von Gott eingesetzt. Wer sich daher der staatlichen Gewalt widersetzt, stellt sich gegen die Ordnung Gottes, und wer sich ihm entgegenstellt, wird dem Gericht verfallen» (Römerbrief 13,1–2). Rom waren also – wenn man den Prinzipien der katholischen Staatslehre folgt – im Hinblick auf ein direktes Vorgehen gegen Hitler und eine namentliche Indizierung von
Mein Kampf
die Hände gebunden. Das heißt aber nicht, daß man grundsätzlich keine Möglichkeit hatte, sich kritisch mit den Inhalten von Hitlers Hauptwerk zu beschäftigen und ihm die «gesunde» katholische Lehre entgegenzustellen, man mußte es allerdings anonym tun, das heißt, es durfte öffentlich nicht gesagt werden, daß die Positionen, mit denen sich das Römische Lehramt auseinandersetzte, im Grunde genommen aus
Mein Kampf
stammten. Tatsächlich entschloß sich Pius XI. zu einem indirekten Vorgehen gegen Hitlers Positionen, und zwar in doppelter Weise.
    Am 14. März 1937 erließ der Papst die berühmte Enzyklika «Mit brennender Sorge» gegen den deutschen Nationalsozialismus. Im Juli 1936, während die Beratungen über mögliche vom Lehramt zu verurteilende Sätze zu Rassismus und Nationalsozialismus im Heiligen Offizium auf Hochtouren liefen, gab Kardinalstaatssekretär Pacelli dem in Rom weilenden Trierer Bischof Franz Rudolf Bornewasser (1866–1951) den Hinweis, der Papst wolle, gestützt auf eine umfassende Dokumentation der «Verletzungen des Konkordats» durch den NS-Staat, ein «Pastorale» erlassen.[ 68 ] Daher baten die deutschen Bischöfe auf ihrer Konferenz in Fulda am 18. August 1936 um eine Stellungnahme des Papstes zur Lage in Deutschland.[ 69 ] Der Hintergrund dieser Entscheidung ist in den kirchenfeindlichen Vorgängen im Reich zu suchen. Vorausgegangen waren eine erste Welle der sogenannten Sittlichkeitsprozesse und die gescheiterten Nachverhandlungen zum Reichskonkordat, so daß man sich über die kirchenpolitische Lage keinerlei Illusionen mehr zu machen brauchte. Am 12. und 13. Januar 1937 versammelten sich die deutschen Bischöfe zu einer außerordentlichen Plenarsitzung in Fulda. Unmittelbar danach reisten die drei deutschen Kardinäle Adolf Bertram, Michael Faulhaber und Karl Joseph Schulte sowie die Bischöfe Clemens August Graf von Galen undKonrad Graf von Preysing auf Einladung des Papstes zu Beratungen nach Rom. Am Freitag, dem 15. Januar, wurden Bertram und Faulhaber vom Kardinalstaatssekretär abends zu einer informellen Vorbesprechung empfangen, und Faulhaber bot an, sein in

Weitere Kostenlose Bücher