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Papst & Teufel - die Archive des Vatikan und das Dritte Reich

Papst & Teufel - die Archive des Vatikan und das Dritte Reich

Titel: Papst & Teufel - die Archive des Vatikan und das Dritte Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Wolf
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Fulda gehaltenes Referat zur Lage in Deutschland als Gesprächsgrundlage zu übersenden. Bei der Sitzung der Bischöfe am Samstag, den 16. Januar, gab Pacelli einige Punkte bekannt, über die sich Pius XI. besonders informieren wollte. Dabei äußerten die Bischöfe die Überzeugung: «Für die Kirche geht es zur Zeit auf Leben und Tod: Man will direkt ihre Vernichtung.»[ 70 ] Ein persönliches Handschreiben des Papstes an Hitler hielten die Vertreter des deutschen Episkopates nicht für ausreichend; sie sprachen sich stattdessen für eine päpstliche Enzyklika mit doktrinellem Charakter aus. Pacelli war skeptisch. Er versuchte, jede lehramtliche Verurteilung zu verhindern, die als einseitige politische Parteinahme gewertet werden könnte und damit die Unabhängigkeit des Heiligen Stuhles gefährdet hätte. Zu einer Enzyklika gegen den Nationalsozialismus ließ er sich nur bewegen, weil die Entwicklung des Spanischen Bürgerkriegs gleichzeitig eine Verurteilung des Bolschewismus und seiner Expansion in Europa möglich machte. Nur durch eine «Symmetrie» der Verdammung sah er die Überparteilichkeit Roms gewährleistet. Trotz seiner Vorbehalte bat er Faulhaber um einige Stichpunkte für ein solches päpstliches Rundschreiben.
    Die Audienz bei Pius XI. fand am Sonntagvormittag am Krankenlager des Papstes statt. Bei einem anschließenden Mittagessen Pacellis mit den Bischöfen erörterten diese die Konsequenzen, die ein päpstliches Hirtenschreiben in Deutschland haben würde. Am Abend des Montags, 18. Januar, präzisierte der Kardinalstaatssekretär dann seine Absicht und bat Faulhaber, einen ersten Entwurf einer Enzyklika auszuarbeiten. Unter strengster Geheimhaltung verfaßte der Münchener Kardinal in den drei folgenden Nächten einen handschriftlichen Entwurf in deutscher Sprache, den er am 21. Januar Pacelli übergab. «Niemand weiß von diesem Schreiben. Darum habe ich es in den Nachtstunden geschrieben, damit auch kein Maschinenschreiber davon erfahre», bemerkte Faulhaber zu seinem Entwurf.[ 71 ] Der einzige, der von Pacelli in Rom ins Vertrauen gezogen wurde, war der Jesuitengeneral Ledóchowski, der schon die ersten Vorarbeiten des Heiligen Offiziums begleitet hatte. Die weitere Überarbeitung des Entwurfs wurde vomStaatssekretär persönlich geleitet und überwacht. In den folgenden Wochen wurde so aus dem Entwurf Faulhabers ein umfassendes päpstliches Lehrschreiben, das am 21. März 1937 von allen deutschen Kanzeln verkündet wurde. Die Enzyklika «Mit brennender Sorge» entfachte den Kampf der völlig überraschten Nationalsozialisten gegen die Kirche neu. Wenige Tage zuvor hatten sie die Verurteilung des Kommunismus durch den Papst in «Divini Redemptoris» noch frenetisch bejubelt.
    Gliederung und Gedankenführung des Faulhaberschen Entwurfs waren von Pacelli weitgehend übernommen worden. Der Text wurde allerdings deutlich erweitert, insbesondere im ersten Teil, wo es um die nationalsozialistischen Übergriffe ging. Das war das genuine Feld des Chefpolitikers des Vatikans. Er hatte das Konkordat unterzeichnet, deshalb trafen ihn die «Vertragsverletzungen», die «Mit brennender Sorge» ansprach, besonders. Der zweite, eher theologische Teil stellte die wahre katholische Lehre nationalistischen und rassistischen Umdeutungen entgegen. Hier läßt sich durchaus eine Verwandtschaft zwischen den Arbeiten am Syllabus und der Enzyklika feststellen, was auch nicht verwundert, da Pacelli als Staatssekretär von Amts wegen der obersten Glaubensbehörde angehörte und über den Stand der dort verhandelten Themen auf dem laufenden war. Nicht zuletzt erhielt er die Geheimdrucke aller Gutachten und sonstigen Dokumente. Diese Vorlagen dürfte er bei seiner Redaktion am Text der Enzyklika benutzt haben.
    So formulierte Pacelli an einer Stelle der Enzyklika, die im Entwurf Faulhabers keine unmittelbare Entsprechung hat und somit vom Kardinalstaatssekretär eigenständig verfaßt wurde: «Die von dem Erlöser gestiftete Kirche ist eine – für alle Völker und Nationen. Unter ihrem Kuppelbau, der wie Gottes Firmament die ganze Erde überwölbt, ist Platz und Heimat für alle Völker und Sprachen, ist Raum für die Entfaltung aller von Gott dem Schöpfer und Erlöser in die einzelnen und in die Volksgemeinschaften hineingelegten besonderen Eigenschaften, Vorzüge, Aufgaben und Berufungen. Das Mutterherz der Kirche ist weit und groß genug, um in der gottgemäßen Entfaltung solcher Eigenarten mehr den Reichtum

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