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Paradies. Doch kein Himmel (German Edition)

Paradies. Doch kein Himmel (German Edition)

Titel: Paradies. Doch kein Himmel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthea Bischof
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Wissens. Deshalb musste er sie zurückhaben. Koste es was es wolle. Vielleicht hatte er sogar Glück, und sie kam allein, um ihren Beschützer zu retten. Das war Leuten, die sich mit emotionalen Bindungen aufhielten , durchaus zuzutrauen. Marcial kannte das Phänomen, ohne es im Geringsten nachvollziehen zu können. Er wusste nur, wie man es nutzte. Ebenso wie die Zermürbung der Zeit.
    Zu diesem Zweck liess Marcial es langsam angehen. Er hatte darauf achten lassen, dass Thal zunächst keine Zähne verlor und dass sein Nasenbein nicht gebrochen wurde. Es hatte bereits widerholte Schwierigkeiten gegeben, weil seine Schergen aus alter Strassengewohnheit immer gerne erst die Nasen einschlugen, weil das einen Streit schnell beendete. Das aber erwies sich bei einer allmählichen Zermürbung als ungeeignet, da das Nasenbein ins Gehirn dringen konnte, was das Opfer schnell verenden liess. Auch zu starke innere Blutungen waren tückisch.
    Die besten Ergebnisse lieferten schmerzvolle, aber harmlose Schläge an empfindliche Stellen und der zeitweilige Entzug von Nahrung und Wasser.
    Marcial presste mit einer kurzen Anspannung seiner Nackenmuskeln die Luft in die Nase. Es ergötzte ihn, sein Ziel dank seiner gehobenen Kenntnis der Materie mit so viel Finesse zu erreichen.
     
     
    Glühend war seine Rede und er überschäumte in seiner Wut. Er erzählte von unvorstellbaren Reichtümern und einem unglaublichen Anwesen. Er wusste Beute in Aussicht zu stellen, wie sie es sich nicht im Traum ausmalen konnten. Sie blieben misstrauisch, alle, die er zusammengerufen hatte. Sie wollten ihm nicht glauben und waren immer wieder im Begriff, ihm den Rücken zu kehren.
    „Wir haben schon viele Geschichten gehört, dann hätten wir auch davon gehört!“ erwiderten die Einen.
    „Wenn einer so reich ist, dann ist sein Haus auch bewacht wie ein Gefängnis“, riefen die Anderen.
    „Aber ich habe hier jemanden, der sich auskennt, der weiss, wie es bewacht ist und so. Sie weiss alles. Sie weiss, wo wir schauen müssen. Ich sage euch doch, die kennt sich aus!“
    Im Hintergrund der dumpfen Spelunke sass die Frau mit den furchigen Backen und blickte mit Häme auf den Streit. Sie hatte es so weit gebracht, dass die Hetzer und Rädelsführer sie baten. Und sie liess sich bitten. Sie liess sich hofieren. Sie liess sich bringen, was sie wünschte und stellte unnennbare Gewinne in Aussicht. Sie hatte in der Krähenleber etwas erkannt, das liess sie hoffen und sie setzte alles darauf.
    Allmählich sickerte die Gier in die Köpfe und die Herzen der Menge und schliesslich liessen sie sich gewinnen. Sie waren bereit, dem Hetzer zu folgen, sie kamen zur verabredeten Stunde zum Stadtausgang von Concepcion und alle, die es aufbringen konnten, hatten einen Wagen, ein Mofa oder nur ein Fahrrad dabei. Zuvorderst auf dem Motorrad sass die Alte bei dem Hetzer. Sie gebärdete sich wie eine Braut, ungeachtet ihres schwankenden Ganges und der schadhaften Zähne. Zischend trieb sie ihn an und legte ihm die Worte in den Mund, die das Gift besassen, die ganze Truppe mitzureissen.
    Knatternd in einer Wolke von Staub erreichte der Haufen das Anwesen von Herrn Marcial. Von der Hauptstrasse ging es einige hundert Schritt ins Gelände, wo der Zaun wegen eines Wasserlaufes niedrig war und sie leichter darübersteigen konnten. Dort legten sie ihre Gefährte im dichten Gebüsch nieder und stiegen allesamt über den stromgeladenen Zaun. Einige erfuhren einen heftigen Schlag und einer unterdrückte einen Schrei.
    Doch schliesslich gelangten sie alle hinüber , auch die Alte mit den furchigen Wangen. Sie pirschten nach dem Haus und als sie die Villa inmitten der weiten Lichtung erkannten, grollte laut der Hass in ihnen und brüllend stürmten sie auf die weissen Mauern zu, erklommen, an den vergitterten Fenstern vorbei, die schmale Estrade und drangen ein. Ihr Schreien erfüllte das Haus, als sie alle Schränke aufrissen, die Bediensteten niederschlugen, die Fenster einschlugen, den Flügel umstiessen, die Waffen an sich rissen und wild um sich schossen, nur um die schallenden Schüsse zu geniessen. Der Verputz bröckelte unter ihren Schlägen und die hellen Wände wurden unter den stürzenden Möbeln verschrammt.
    Endlich fand einer im Dunkel unter der Erde eine wüste Galerie, die widerwärtige Fratzen zeigte. Angeekelt wich er zurück und rannte den gläsernen Topf um, der in der Mitte stand. Klirrend ging das Gefäss zu Boden und der Duft von rötlicher Erdbeermarmelade

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