Paradies. Doch kein Himmel (German Edition)
Wünschen gingen sie einher und sammelten die winzigen Hinweise. Sie fanden sein Haus und sie fanden sein Geheimnis und sie erkannten die Taten seiner Hände. Sie sahen das Blut und die Macht, die es gebar, sie schauten sein Tun der Selbstsucht und des Hasses.
Das alles trugen sie getreu zu Consuelo und brachten es dar der kindlichen Priesterin. Die erkannte die Schrecken und verstand die Geheimnisse. Mit des Freundes Auge erkannte sie erstmals, dass falsch war der Priester, hohl seine Bitte, blicklos sein Visionieren und ahnungslos seine Lehre. Was nie sie gesehen hatte, wurde ihr offenbar und sie erfasste, dass sie selbst nur sein Schlüssel zu der Unterwelt war, dass sie sein Wissen trug und für sein Schauen zeugte. Wie Schuppen fiel es von ihren Augen, als sie gewahrte, dass nicht er sie geführt hatte, sondern ihr blind gefolgt war auf dem Weg in die Tiefen der unerschöpften Weisheit.
„Bin denn ich sein Licht in dem Dunkel der Gegenwelt?“ rief sie, als das Erkennen sie beben liess und sie sah, wie leer seine Macht und wie segensfrei sein Eifer waren.
Doch in dem Sturm des Erkennens sah sie vor sich ihre Führung und ihren Weg.
„Seid darum gedankt, all ihr Geister des Zwielichts und der Nacht, ihr Diener der Engel und ihr Totenseelen. Mögen Fülle und Wohl zu euch fliessen, möget ihr erlöst werden von der Last eurer Taten und mögen die Wege und Stege eures Wirkens stets frei und gesegnet sein“, sprach Consuelo zu ihnen und sie zogen davon ins verborgene Grün des versunkenen Zwielichts und keine Spur hatte ihr suchender Schritt in Sand und Staub gelassen.
Consuelo aber hatte erstmals erkannt, dass sie es war, was Marcial suchte, das sie, nur sie, ermöglichen konnte, dass er seinen Status als Priester aufrechterhielt.
Als es in der Mansarde Abend wurde hörte Vincent, wie die Türe sich öffnete. Schritte kamen auf ihn zu und er sah das schwankende Licht einer Taschenlampe. Der helle Strahl wurde auf sein Gesicht gerichtet.
Vincent blickte am Licht vorbei auf die beiden Gestalten.
Eine wütende Stimme fragte, was er hier suche.
Vincent schwieg und versuchte zu erraten, wen er vor sich hatte.
Da trat die Gestalt mit der Taschenlampe näher und versetzte ihm einen Tritt in die Magengegend.
Vincent schnappte nach Luft und hustete.
„Rede endlich du Scheisser“, sagte die Stimme wieder. Es war der Mann mit der Taschenlampe, nicht die andere Gestalt.
Der nächste Tritt traf seinen Kiefer. Seine Zähne schlugen hart aufeinander und sein Kopf wurde nach hinten gerissen. Vincent schmeckte Blut auf seiner Zunge und ein sengender Schmerz durchfuhr vom Kinn her seinen ganzen Schädel.
Da hörte er eine andere Stimme etwas leise in Guarani sagen. Er konnte es nicht verstehen, doch ein kaltes Rieseln überlief ihn.
„Was suchst du hier?“ fragte nun wieder der Taschenlampenmann.
Vincent atmete schwer, schwieg aber weiterhin.
Ein Grunzen ging dem Schlurfen voraus, als dieser hinzutrat und ihm mit einer Eisenstange einen Schlag gegen die Rippen versetzte. Vincent hustete wieder und der nächste Schlag traf seinen Schenkel. Auf der Seite liegend und zusammengekrümmt meinte Vincent, nur noch aus Schmerzen zu bestehen. Wie eine Vielfalt von stechenden, hämmernden und sengenden Schmerzen durchzog die Pein ihn ganz und sein Röcheln kam ihm selbst unpersönlich vor. Es war nicht mehr seine Qual, die Qual hatte übernommen und nur noch Qual war da.
„Rede endlich du mieses Stück Dreck! Du hast gar keine Ahnung, was wir dir alles antun können!“ rief die wütendere Stimme, die sich im Schatten hinter dem Schein der Taschenlampe versteckte.
Doch dann traf ein weiterer Schlag der Stange Vincents Ellenbogen und ein Tritt sein Schienbein und er stöhnte aus tiefster Brust auf. Er wollte sich zusammenkrümmen, als ein Schlag gegen die Schulter ihn rückwärts drehte, so dass er auf seinen gebundenen Armen lag und ein schwerer Stiefel auf seine Brust gestellt wurde. Dann traf ihn ein harter Schlag zwischen die Beine und er wünschte, er könnte ohnmächtig werden.
Er wusste nicht, wie lange es dauerte und wohin Schläge und Tritte ihn immer trafen. Doch im Delirium seiner Schmerzen blieb sein Bewusstsein bei ihm wie ein treuer Hund beim Sterbenden. Zum ersten Male erschien es ihm, als sei sein Bewusstsein ewig und nur sein Körper der Drangsal und dem Verderben geweiht. Es lag wenig Trost in der Erkenntnis, denn das Bewusstsein von wild estem Schmerz war nicht besser als der Tod. Im
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