Paradies. Doch kein Himmel (German Edition)
fallen manchmal einfach Lieferungen aus, niemand weiss, wo sie hingehen. – Aber in letzter Zeit häuft es sich. Es werden immer mehr Tage, an denen die Läden leer sind, und manchmal werden die Menschen wütend. Es ist ungerecht! Sollen sie hungern, nur weil sie keine schönen Häuser haben? Sie können sich das Essen ja leisten, sie könnten es zahlen, wenn es da wäre. Sie verdienen Geld. Haben Sie verstanden, es waren nicht Bettler und Strassenkinder, die an dem Abend vor Manolos Laden in die Prügelei gerieten, es sind ganz gewöhnliche Menschen, die da ihr Leben, ihre Geschäfte, ihre Arbeit haben. Die ärgern sich, sie verstehen nicht, wie ein System, um das sie sich bemühen wie ein ausgehungerter Matrose um eine Hafenhure, sie anspuckt und prellt. Es gibt keinen Grund, wie sie noch mehr beschissen werden können. Warum, sie haben schon fast nichts, aber wenn sie das aufwenden wollen, um was zu essen, dann ist nichts da. Die Leute haben nicht kein Geld, es gibt für sie aber nichts, wofür sie ihr Geld ausgeben können!“
Luz griff nach ihrem Glas und tat ein paar rasche Schlucke, setzte ab und leerte das Glas dann bis zur Neige.
„Warum gibt es nichts zu kaufen?“ fragte Vincent. „Warum um Himmels Willen ist nichts dort, wenn es Leute gibt, die es kaufen würden?!“
„Es gibt jemanden, der besser zahlt“, sagte Luz.
„Wen?“
„Ich weiss es nicht, aber die Bauern sagen das. Es gibt Zwischenhändler, die sagen, sie bringen die Ware in die Stadt, dann sparen die Bauern den Transport.“
„Das ergibt keinen Sinn, wovon sollen diese Zwischenhändler denn dann leben?“ warf Vincent ein. Jedoch hatte Cevas etwas Ähnliches gesagt.
„Weiss ich das? Sie wollten wissen, was los ist. Ausserdem macht es ja keinen Spass, mit mir zu reden“, meinte sie darauf schnippisch und liess sich noch ein dunkles Mischgetränk bringen. Vincent schloss sich dem Experiment an.
„Es macht mehr Spass, seitdem Sie mir nicht die ganze Zeit vorwerfe n, dass ich alles falsch mache“, räumte er ein.
„Nun, da Sie es wissen, brauche ich es ja nicht mehr zu sagen“, sagte Luz und es war das erste Mal, das sie lächelte. Es stand ihr gut, denn ihre schwarzen Augen funkelten reizvoll.
„Wo waren Sie während der Schlägerei vor Manolos Laden?“
„Auf dem Weg nach Hause von der Arbeit.“
„Den Bericht kann ich rauchen, oder?“ fragte er.
„Vollkommener Mist“, gab sie zu.
„Luz, wen kann ich fragen, wenn ich herausfinden will, was das Problem ist? Wen soll ich fragen, was mit den Ernten ist, wo die Ware hingeht?“ bohrte er weiter.
„Können sie Guarani?“ erkundigte sie sich.
„Nein.“
„Dann können Sie auch nicht fragen gehen“, sagte Luz. Sie stützt die Ellbogen auf den Tisch, ihre Brüste zwischen die gekreuzten Armen schiebend. Voll und rund wie warme Bronze schimmerte die weiche Haut, doch der Tisch war schmutzig von der Wirtschaft des Tages.
Vincent konzentrierte sich auf Luz‘ Augen, als er sich ebenfalls vorbeugte, so dass er ihrem Gesicht ganz nahe kam: „Können Sie für mich fragen?“
Luz atmete tief ein, fast eifersüchtig um seinen Geruch in den Dämpfen der Stadt ringend.
Ein seltsamer Glanz ging durch ihren schwarzen Blick, es war wie das Brechen eines Spiegels.
„Sie wollen sich profilieren und wenn Sie alle Anerkennung haben, dann gehen Sie und vergessen, dass es Paraguay gibt!“ brachte sie dann hervor.
„Warum nimmst du das an? Warum bist du so überzeugt, dass es mir egal ist?“ insistierte Vincent nun. Mit ihrem Vorwurf ging sie ihm auf die Nerven, ungeachtet ihres duftenden, verführerischen Körpers.
„Schön, gehen wir mit den Leuten reden, wann hast du denn Zeit?“ lenkte sie unvermittelt ein.
„Jederzeit. Ausser übermorgen, dann muss ich nach Concepcion.“
„Ich hab nur am Wochenende frei“, erwiderte Luz.
„Gut, Samstag? Gegen Mittag?“ schlug er vor.
„Samstag, um elf, du bringst den Wagen, ich bring‘ das Gewehr“, entgegnete sie.
„Was?“entwich es Vincent. War sie von Sinnen?
„Das war ein Scherz!“
„Ich kenne niemanden, der mir weniger Humor bewiesen hat!“
Sie tranken und sprachen. Nach einiger Zeit zeigte sich Luz nicht nur aufgeschlossener, sondern sogar gesprächig. Sie war in La Chacarita geboren und aufgewachsen, ihre Mutter stammte aus der Stadt, ihr Vater war vom Land. Sie kannte das Viertel besser als alle bei der Polizei, darum konzentrierte sie sich darauf, ihre Herkunft so wenig wie möglich mitzuteilen.
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