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Paradies. Doch kein Himmel (German Edition)

Paradies. Doch kein Himmel (German Edition)

Titel: Paradies. Doch kein Himmel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthea Bischof
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Verstehen Paraguays selbst erschien.
    Als Vincent nach fast fünfstündiger Fahrt endlich den Fluss überquerte und in Concepcion ankam, bezog er sein Zimmer im Waisenhaus. Er streckte sich auf dem Kajütenbett in Puppenstubengrösse aus, so dass seine Extremitäten den kühlenden Luftzug der Nacht abbekamen und sank in unerquicklichen Schlaf.
    Anderntags weckten ihn bei Sonnenaufgang Kinderstimmen und nach einer kurzen Dusche und unterschlagener Rasur begab er sich zu den Senkgruben. Die sommerl iche Hitze liess den Geruch zu einem bestialischen Gestank anwachsen und Vincent kehrte es fast den Magen um. Er liess sich vom Hausmeister, einem verschlafenen Menschen mit einer Schiebermütze, die Lage der Wasserleitungen erklären und machte sich Notizen für das spätere Treffen mit dem Architekten. Denn erkundigte er sich im Sekretariat des Waisenhauses nach Consuelo, dem schwangeren Mädchen, die aber verschwunden war und sich nicht mehr gemeldet hatte. Deshalb hinterliess er ihr eine schriftliche Nachricht, indem er sie versicherte, er werde sich ihres Problems annehmen und vermerkte den Zeitpunkt seines nächsten Aufenthalts in Concepcion.
    Eine halbe Stunde nach der vereinbarten Zeit erschien der zu Rate gezogenen Architekt. Mit ihm besprach sich Vincent über die Möglichkeiten, das Waisenhaus nun doch an die Kanalisation anzuschliessen. Budgets mussten überwacht werden und wie es aussah, würde er noch einige Male hin und her fahren müssen, da ein zweites Vorkommnis, wie das Verschwinden der Gelder, ausgeschlossen werden sollte. Sie legten sich mit dem Leiter des Hauses auf eine bauliche Lösung fest, wofür der Architekt genaue Pläne und Kostenrechnungen zusammenstellen und diese sowohl ans Waisenhaus, als auch an Vincent faxen sollte.
    Damit beschloss sich Vincents Aufenthalt in Concepcion und er liess sich aus der Küche ein transportables Mittagessen mitgeben, bevor er sich gegen ein Uhr wieder auf den Weg nach Asunción machte. Eine leere und hitzeflimmernde Strasse lag vor ihm, als er gen Süden zog und seine Gedanken wie Wolkenfetzen an seinem Bewusstsein vorbeiziehen liess.
     

 
    III
    Das Unbewusste ist ein tiefer dunkler Teich, dessen Grund ein niemand kennt.
     
    Gegen Abend betrat Vincent das El Paisaje, müde von der Fahrt und dem langen Stehen bei den Senkgruben des Waisenhauses. Er roch aus eigener Wahrnehmung etwas streng, ausserdem war er unrasiert und der Staub der Landstrasse klebte in seinem Haar und hatte sich wie eine Kruste auf seine verschwitzte Haut gelegt. Er liess sich an einem kleinen Tisch in der Ecke des Lokals nieder, da Luz wahrscheinlich nicht daran gelegen war, mit ihm von der Strasse aus gesehen zu werden. Welchen Grund es dafür auch gab, er würde mehr erreichen, wenn er die schwer einzuschätzenden Eckpunkte ihrer sperrigen Persönlichkeit beachtete.
    Als er sein langersehntes Glas kühles Morena vor sich stehen hatte, kam Luz herein. Mit einem Blick übersah sie die Gäste und kam an Vincents Tisch, um sich ihm gegenüber zu setzen. Sie trug ein schwarzes Oberteil und einen Jeansmini, dem er einen dezenten Blick der Bewunderung zollte.
    „Hola“, sagte sie, als sie ihre Tasche neben sich auf den leeren Stuhl stellte.
    „Hola“, sagte Vincent.
    Luz trank ein süsses Mischgetränk aus lokalem Schnaps und nordäquatorialer Cola. Das Glitzern auf ihren Lippen setzte sich mit jedem Schluck an den oberen Rand des Glases, so als habe sie es geküsst.
    „Sie kommen aus La Chacarita?“ fragte Vincent nach einer Pause, sein Bierglas in der Hand drehend.
    „Ja“, sagte Luz und warf den Kopf zurück.
    „Kommt es öfter vor, dass es dort gar nichts zu essen gibt? Ich meine, für niemanden?“
    „Wieso wollen Sie das wissen?“
    „Es ergibt keinen Sinn“, sagte Vincent. „Wenn es regelmässig nichts zu essen gäbe, dann gäbe es auch regelmässig Schlägereien. Es gibt aber nur drei oder viermal im Jahr eine. Das ist seltener, als Menschen Hunger bekommen. Darum will ich wissen, was los war.“
    „Interessiert es Sie wirklich?“ fragte sie.
    „Was glauben Sie denn, warum ich es mir antue, Sie zu fragen? Sie sind weiss Gott die mühsamste Person für ein Gespräch!“ erwiderte er.
    Luz zog die Brauen zusammen. Sie schnaubte leicht durch die Nase und erklärte dann, den Blick auf ihr Glas gerichtet: „Es kam immer wieder vor, dass nicht geliefert wurde. La Chacarita ist nicht wichtig genug, es ist niemand wichtig genug dort, um mit Sicherheit versorgt zu werden. Es

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