Paradies. Doch kein Himmel (German Edition)
und in welcher Art sie ihre Waren bezog. Nun gut, so musste er andere Wege suchen, um den Nahrungsmangel zu bekämpfen. Seine Gedanken wurden unterbrochen, als Herr Cevas an die Türe klopfte und um Einlass bat.
Vincent erinnerte sich der Anfrage von vor Wochen, als Cevas um Hilfe für seine Tochter und Unterstützung hinsichtlich seines Ladens gebeten hatte.
„Was führt Sie zu mir?“ fragte er den Herrn.
„Sie erinnern sich, dass ich vor ein paar Wochen hier war?“ fragte Cevas.
„Ja.“
„Nun ich wollte fragen, ob sich nun in meiner Sache etwas tun lässt?“
„Sehen Sie, Herr Cevas“, hob Vincent an, „es war in den letzten Wochen hier einiges los, ich bin noch nicht dazu gekommen, mich um Ihre Anliegen zu kümmern. Wegen der Sache mit Ihrer Tochter, bitte ich Sie oder die junge Dame, sich an meine Kollegin Patricia zu wenden. Sie hat mehr Erfahrung auf diesem – delikaten Gebiet. Und wegen Ihrem Laden: ich kann Ihnen eine Empfehlung schreiben, mit der Sie zur Stadtverwaltung gehen. Sehen Sie, ich selber kann Ihnen den Laden nicht bewilligen.“
„Ich verstehe, ich verstehe“, sagte Herr Cevas leise. „Können Sie mir dann so einen Brief schreiben?“
„Das kann ich“, erwiderte Vincent und machte sich mit den Angaben von Cevas ans Schreiben.
Nur zehn Minuten später verliess der kleine Mann das Büro und machte sich wohl auf den Weg zur Stadtverwaltung.
Während er seinen Bericht über den Ausflug nach Sao Paulo verfasste, dachte Vincent über die neuen Entwicklungen nach. Wie war er auf die Idee gekommen, in das Firmengelände von Transmar einzubrechen? Er legte die Hand an die Stirn und um seinen Verstand legte sich wie ein weiches, breites Band die Grauzone, in der sich seine Handlungen bewegten. Als er nach Asunción gekommen war, hatte er eine Vorstellung davon gehabt, wie an seiner Stelle zu handeln sei. Er hatte mit Sicherheit die Trennlinie zwischen Gut und Schlecht, Regelkonform und Illegal gekannt. Was war daraus geworden?
Seine Vorstellungen hatten sich anpassen müssen. Es war nicht einfach, etwas zu erreichen, wenn Vincent sich an die Regeln hielt. Er hatte Kollegen wie Curdin jeden Tag vor Augen. Dieser stieg sicher über keine Zäune, seine Knie erhielten keine Schürfungen und sein Wagen keine Schüsse. Aber was hatte er im Dienste des humanitären Hilfswerks erreicht? Saubere Bulletins geschrieben.
Vincent wandte sich wieder seinem eignen Bericht zu und verbuchte die Ausgaben, begründete die Reise, wies die Vorteile des Unternehmens aus. Die Grauzone umspannte ihn immer weiter und dichter wie das Netz einer Spinne und in der Unentrinnbarkeit des eingeschlagenen Weges erkannte Vincent sicher und wahr, dass er nur weitergehen konnte. Halb zog es ihn, halb eilte er.
Als er den Bericht zeichnete und das Büro verliess, um Ignacio nach Neuigkeiten in der Taverne in La Chacarita zu fragen, hatte er das Gesetz der unbescholtenen Wohlanständigkeit für immer verlassen. Vor ihm lag ein Dschungel von Möglichkeiten und Verführungen, von einer Wahrheit für tausend Lügen.
„Alter, wie geht’s?“ rief Vincent über den kleinen Hof, als er Ignacio sah.
„Vincent! Ein Morena?“ erwiderte dieser von weitem und Vincent setze sich.
Ignacio kam mit zwei Bier und setzte sich zu Vincent.
„Na wie läuft’s? Hast du mehr über diese Transmar-Verbrecher herausgefunden?“
„Ein bisschen“, räumte Vincent ein und sie stiessen an.
„Sie transportieren grosse Mengen von Soja oder so nach Europa. Deutschland, um genau zu sein. Die machen dann Biodiesel und Bioethanol daraus“, führte Vincent weiter aus.
„Was ist Biodiesel und Bioethanol?“, fragte Ignacio.
„Das sind umweltfreundliche Treibstoffe. Damit nicht Erdöl verbraucht und verbrannt wird. Mineralöl gibt es ja irgendwann keines mehr. Aber Biodiesel und Bioethanol können – wieder angepflanzt werden“, erklärte Vincent.
Ignacio dachte nach und blickte in sein sanft perlendes Bier, an dessen oberem Rand sich der weisse Schaum wolkig absetzte.
„Heisst umweltfreundlich, dass in Europa mehr Auto gefahren wird und hier weniger Leute essen?“ fragte er dann, den Blick immer noch in das gelbe Getränk versenkt.
„Ich fürchte, dass es das heisst“, meinte Vincent und während er Ignacio ansah, schlug ihm die selbstherrliche Moral von GreenPower entgegen. Er blickte auf die namenlose Ungereimtheit zwischen der weissen Weste des nachhaltigen Handelns und der hungernden Realität. Globales Denken
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