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Paradies. Doch kein Himmel (German Edition)

Paradies. Doch kein Himmel (German Edition)

Titel: Paradies. Doch kein Himmel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthea Bischof
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hatte keinen vernunftbegabten Weltbürger geschaffen, sondern eine Kleinkrämerei von guten Gewissen. Die Wahrheiten zerbrachen vor ihm, durchfuhren sein Innerstes und zerstoben zu einem kalten Staub, der sich an alles klebten, was er geleistet hatte.
    „Denken die denn nicht daran, was sie uns antun?“ fragte Ignacio. „Wir können die Taverne hier kaum noch halten, ständig steigen die Preise und wir müssen sie auch anheben und haben weniger Gäste.“
    „Wenn sie wirklich wüssten, was die Wirkung ist, würden sie vielleicht nochmals nachdenken. Aber dazwischen liegen wieder Firmen wie Transmar, die am guten Gewissen von GreenPower verdienen. Das sind die Leute, die von Transmar kaufen und wegen denen Transmar die Bauern Soja pflanzen lässt“, gab Vincent zu bedenken.
    „GreenPower“, widerholte Ignacio mit einem Grinsen. „Haben sie den Hulk im Tank?“
    Nach dem zweiten Bier fragte Vincent, ob Ignacio Luz letztens gesehen habe.
    „Luz? Ah!“, sagte Ignacio darauf und Vincent zog die Brauen hoch.
    „Sie kommt nicht so oft hier her“, sprach der Wirt weiter. „Sie ist ein bisschen zu fein für uns hier.“
    „Aha. Wo geht sie denn hin?“
    Ignacio nannte ein paar Lokale ausserhalb von La Chacarita, die angesagt und gutbesucht waren.
    „Luz gehört eigentlich nicht nach La Chacarita, weisst du. Sie wollte schon immer weg von hier, sie findet das Quartier mies und so. Aber die Familie ist wohl zu gross, darum unterstützt sie die Mutter“, erklärte er daraufhin.
    „Du kennst Luz gut?“ fragte Vincent.
    Ignacio zog eine Braue hoch und erklärte, dass Luz gewissermassen eine Instanz im Viertel war. Sie war schlau und sie war hart. Sie wusste über unglaublich viele Dinge Bescheid und sie konnte unbeschreiblich hassen. So war sie mehr eine rasende Rächerin denn eine blinde Justizia und ihre Verbindungen zur Polizei unterschlug sie ebenso oft wie sie sie nutzte. Es hiess, sie hätte den Kopf der mächtigsten Bande für sich eingenommen: Sie war einmal die Geliebte des Bandenführers gewesen und hatte sich durch ihre Härte und ihre Schlauheit, so hiess es, eine unantastbare Position verschafft. Deshalb half sie den Leuten aus La Chacarita wenn sie konnte, hielt sich aber aus dem meisten heraus, um nicht zwischen die Fronten zu geraten. Dass sie bei der Polizei arbeitete, bewahrte La Chacarita vor der staatlichen Ordnung, da Luz rechtzeitig warnte, wenn mit einer Razzia zu rechnen war. Doch das kam ohnehin selten vor, denn meistens wollten sich die Beamten die Finger nicht im Elenesquartier schmutzig machen.
    Vincent hörte zu und Ärger über sie, durchmischt mit einer heissen Sehnsucht, stiegen in ihm auf und er wünschte sich nichts mehr, als sie zu sehen, sie zu küssen, bei ihr zu liegen und ihre Lebendigkeit zu spüren, so dass die Welt versank und nur Fleisch in Fleisch sich drängte.
    „Sie ist nicht einfach, das kann ich mir denken“, unterbrach Ignacio die Flut von Bildern, die vor Vincents innerem Auge sich bildeten und ihn der Taverne weit entrückten.
    Er blickte auf und grinste.
    „Sie geht mir auf die Nerven wie nie zuvor eine Frau, aber gleichzeitig muss ich sie einfach wieder sehen“, sagte er darauf.
    „Du weisst, wo sie wohnt, oder?“
    „Sie wird sich nicht freuen, wenn ich auftauche, aber nach noch ein paar Bier mache ich mich wohl auf den Weg. Kann ich noch ein Morena haben?“
    „Sicher“, sagte Ignacio und erhob sich.
    Vincent drehte das leere Glas in der Hand, wo weisse Ränder von Schaum sich an den Wänden entlangwandern wie niedliche Kletterpflanzen. Allmählich wurde ihm klar, dass er nicht nur aufgebrochen war, um Ignacio zu treffen.
     
     
    Es war Nacht in La Chacarita. Die Hitze der Sonne war herabgesunken und nur aus dem Erdboden troff die in Erinnerung des Tages. Wie in einem urweltlichen Dickicht erklangen Schreie und Stimmen, von welchen Wesen auch immer, denn menschlich tönten sie nicht dem lauschenden Ohr. Vincent war zu müde und zu angetrunken, um ergründen zu mögen, woher die Schritte hinter ihm kamen und wohin die Gestalten im Dunkel gingen. Was sollte es ihm, sich zu schützen und sich ordnungsfroh zu verhalten? Was sollten ihm all die Reglemente? War er nicht frei? War er nicht hier, um zu tun was ihm beliebte? War nicht sein Leben ganz und gar seins?
    Das viele Bier bei Ignacio drückte auf seine Blase und er tat es wie alle in La Chacarita und erkor einen Pfahl zum geeigneten Ort der Erleichterung.
    Die trüben Lichter und die grellen

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