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Paradies. Doch kein Himmel (German Edition)

Paradies. Doch kein Himmel (German Edition)

Titel: Paradies. Doch kein Himmel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthea Bischof
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anpflanzen und können sie dafür sogar besser bezahlen, weil Ihr sie wahrscheinlich zahlt wie die Irren. Ihr pumpt Gelder in Transmar, dass es nur weh tun kann. Ich bin sicher, Ihr bildet euch weiss der Geier was ein, was Ihr grossartiges leistet, aber im Endeffekt lasst Ihr hier die Bevölkerung einfach am Hunger verrecken,“ erwiderte Vincent darauf. Er hatte sich auf das Sofa gelegt und den Kopfhörer ins Ohr gesteckt.
    Am anderen Ende herrschte Stille.
    „Wie betrunken sind Sie?“ fragte sie dann.
    „Du. Wie betrunken bist du“, korrigierte er. „Wahrscheinlich nicht ausreichend, aber ich kann dir sagen, dass Transmar dir zwar alles liefern kann, ausser einem guten Gewissen für GreenPower.“
    „Ich hänge jetzt auf, auf Wiedersehen.“
    „Hab ich noch nicht“, erwiderte Vincent einige Zeit, nachdem sie die Leitung unterbrochen hatte. Dann fiel er in einen Schlaf voll wilder wirrer Träume, in denen Luz ihm als rasende Priesterin einer versunkenen Epoche entgegenkam und ein winziges Inuitbaby mit pelzigem Ring ums Gesicht ihn beständig anschrie, während Curdin ein Fass Blut über ihn ausschüttete und alles vom pulsenden Rot troff und dampfte.
     
     
    Vincent erwachte mit erheblichem Durst und verspanntem Rücken, da sein Sofa durchaus nicht zum darauf schlafen geeignet war. Es war neuen Uhr und er duschte kurz und begab sich ohne den Vorzug einer Rasur ins Büro.
    „Gut siehst du aus“, sagte Patricia in der Cafeteria und Vincent fragte sich, was eigentlich mit den Frauen los sei.
    „Danke“, sagte er und machte sich an seine Arbeit. Doch es war ihm alles zuwider, die ewigen Fahrten nach Concepcion, die Latrinen der Waisen und dergleichen mehr, er hatte genug davon. Was sollte ihm all das? Was erreichte er denn überhaupt mit all seinem Einsatz? Er klebte ein Pflaster auf die schwärende Wunde, welche Jahrhunderte in ihrem Eiter und ihrer Fäulnis kultiviert hatten. War es sinnvoll, die Hand zu streicheln, die man im Begriff war, abzuhacken? War es gütig, das vergiftete Kind auf die Stirn zu küssen, eh‘ man ihm knackend das Genick brach?
    Vincent starrte aus dem Fenster, als das Telefon klingelte und Nachrichten in seinen elektronischen Briefkasten rieselten.
    Hatte Ignacio Recht? Hätte er einfach in Luzern bleiben sollen und eine Familie gründen?
    Vincents unermüdlicher Arbeitsstrohm war gebrochen, er sah weder Sinn noch Ziel in seinem Streben, nur Balsamduft auf krankenden Gliedern. Betrachtete er ehrlich, was er hier tat, so war es ein Nichts, ein Staubkorn gegenüber dem, was sich ihm täglich entgegenstellte. Korruption, Ausbeutung und Verbrechen waren stärker, blieben stärker und sein war nur ein Fächeln gegen das Höllenfeuer, das in seiner rasenden Gewinnsucht die menschlichen Existenzen benutzte, verbrannte und ausspie.
    Es frassen Menschen Menschen bei lebendem Leib, sie zerrissen einander ohne Rücksicht auf ihr mordendes Tun. Vincent mochte davor die Augen verschliessen, während er eine Hilfe leistete, die nicht einmal stark genug war zu lindern. War das das Leben? War das Leben einfach nur mordend, hassend, egoistisch und blendend? Liess es dem Menschen nichts als an sich zu raffen oder gerissen zu werden wie Küken vom Fuchs in heimlicher Nacht?
    Die Gedanken wälzten sich in seinem Kopf, während er seine Arbeit unbeachtet liess. Er konnte, er mochte, er wollte sich nicht konzentrieren, wollte sich nicht überwinden, den eklen Geruch faulender Fäkalien zu atmen, während elenden Kindern geholfen wurde, in Würde scheissen zu können.
    Da entwand sich sein Gedanken weiter der gewohnten Bahn, so dass er sich der Frage näherte, was ihn das alles denn eigentlich anging? Was gingen ihn diese Kinder an, die er vor einem Strassenleben und einem frühen Tod mochte retten können, so dass sie rissen und zerrissen wurden, so wie das Gesetz ihrer Art es ihnen gebot?
    War gegen den Charakter des Menschen denn anzukommen? Gab es eine Grenze des Egoismus oder war dies das endlose Land der Ewigkeit? Was hatte ihn getrieben, ins Hilfswerk einzutreten? Warum war er nicht da geblieben, wo er her kam und bereicherte sich wohlig und fett, wie es alle in der Heimat taten? Warum lebte er von der berauschenden und trügerischen Überzeugung, Gutes zu tun? Welches Recht besass er denn, diese Nuuk zu verachten für ihre Illusionen über Humanität, wenn er diesen selbst viel zu sehr erlegen war?
    Was konnte er seinem eigenen Denken, seinen Vorstellungen noch glauben? War nicht alles nur Trug

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