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Paradies. Doch kein Himmel (German Edition)

Paradies. Doch kein Himmel (German Edition)

Titel: Paradies. Doch kein Himmel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthea Bischof
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zu und entäusserten sich ganz ihres Eigenseins. Vom schwarzen Altar quollen berauschende Dämpfe, verschleierte die Luft und vernebelte die Geister.
    Die Betenden lauschten, doch der Priester enthielt sich jeden Lauts, gab ihnen nicht die ersehnten Worte, hielt zurück, was nur er seiner Gemeinde zu geben befähigt war. Ganz bei ihm blieb die Erfüllung ihrer innigsten Wünsche, keine Gabe trat über seine Lippen, nichts gab er hin im Geiz seines Glaubens. Keine Hingabe konnte ihn zwingen, keine Brunst ihn locken, keine Gier ihn wecken. Der Priester behielt seine Stimme noch ein. Die Betenden zitterten, wanden sich und ihr Murmeln schwoll an zu dröhnendem Schreien, bebend gaben sie sich hin den wollüstigen Gebeten, wanden sich dahin, kehrten sich im Kreise, schoben sich auf blossen Knien und krallten immer wieder nach der Stufe seines Sitz‘.
    Erst als vibrierend die Luft von Gebet und von Gier war, da erhob sich der Priester und trat auf sie zu. Sein weissleinener Mantel, umsäumt von breitem Gold, öffnete sich auf seine bronzene Brust, als er aus den Falten des Gewandes die Arme hob und so verebbte das Murmeln in seinem Willen.
    Fast lautlos war nun das Beten, immer inniger die Worte, inbrünstig das Rufen, Stöhnen und Sehnsucht erfüllten die Stimmen der Gläubigen.
    Endlich trat die Seherin hervor, gehüllt in schwarzen Crêpe, überfliessende Falten die Nacktheit verschleiernd. Es schrien die Gläubigen, sie jauchzten und gellten, zitterten und bebten, denn es verlangte sie sehr nach der SeherinWirken. Der Priester packte sie bei den Schultern und hielt sie fest vor sich, die krallenden Hände durchs schwarze Gewebe in das Fleisch gepresst. Er erhob ihren Kopf, so dass sie über die Gläubigen hinweg sah und befahl: „Sprich.“
    Da entwanden sich ihrem Mund die Worte wie ein Schwall. Sie überschritt die Grenze und herein brach die andere Welt. Die Stimmen des Jenseits erfüllten den Raum, erwiderten zagende Rufe der Gläubigen, entgegneten Suchenden gebend, doch der Priester war stets wachsam dabei. Immer üppiger troffen ihre Worte dahin, gaben und wärmten die Gemüter der Beter. Endlich flossen die Worte wie ein Strohm unendlicher Fülle dahin, ergriffen im Rhythmus die betende Menge und folgte dennoch dem Willen des Priesters.
    Als die Worte versiegten, als verstummten die Stöhnenden und abschwollen die brünstigen Gebete, da dunkelte der Saal ein und dunkel ward der Raum des Altars.
    Richtend scheuchten die Diener die Gläubigen aus dem Saal und der Priester griff nach der Seherin und unter seinem Fleisch verschwand ihr Leib, unter seiner dröhnenden Stimme verstummte ihr jeder Laut. Bunte Bilder blickten zum Himmel und nur die Larven der Götter wussten davon.
     
     
    Consuelo hatte sich gewaschen und angekleidet, bevor sie das Gebäude verliess und in den wartenden Wagen ihrer Mutter stieg.
    „Gott sei Dank, da bist du ja endlich“, sagte diese und fuhr los. Consuelo blickte auf die Strasse vor sich, schwach beleuchtet von den Scheinwerfern. Die Wirkung der versengten Drogen ebbte erst ab, doch der Geruch würde ihr noch einige Stunde in der Nase bleiben. Links zeigte der Blinker an, das Auto fuhr gemächlich um die Ecke, die Fliehkräfte zogen ihren Körper nach der anderen Seite, denn sie war zu matt und müde, um sich gerade zu halten. Es war ihr ohnehin alles gleichgültig. Die Dunkelheit von Concepcion, die Schwärze des Armaturenbretts und die Handtasche ihrer Mutter auf dem Schoss verschwammen mit den dunklen Stellen aus ihrem Leben zu einem überfüllten wirren Wust und Consuelo starrte dumpf drein hinein. Sie machte sich nicht mehr die Mühe zu verstehen, sie stellte sich nicht mehr die Frage nach wieso und wozu. Sie tat, wie sie geheissen wurde, leistete kaum etwas und liess über sich ergehen. Sie half Mama im Haushalt, hörte auf die Befehle ihrer Tante, doch nur geringfügig leistete sie den Frauen Folge. Wozu auch? Sie hatten sie sicher schon aufgegeben. Sie hatten nicht einmal ernstlich gefragt, wo sie geblieben war, als sie plötzlich mehr als eine Woche verschwunden war.
    Consuelo dachte an Asunción und was dort vorgefallen war und noch düsterer wurde der schwelende Wust, den sie ihr Leben bezeichnen sah. Sie dachte oft an das Ungeborene, das sie dann so schmählich losgeworden war. Sie hatte das als einzigen Ausweg gesehen. Es war das Beste. Es war das einzig Richtige für das Ungeborene. Denn IHM durfte es niemals in die Hände fallen. Dann lieber sterben.
    Aber nun, da

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