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Paradies. Doch kein Himmel (German Edition)

Paradies. Doch kein Himmel (German Edition)

Titel: Paradies. Doch kein Himmel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthea Bischof
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abschliessen, dann würde ich gerne nach Hause gehen und mich aufs Ohr hauen, ich habe nicht grade viel geschlafen“, brachte Vincent in steigender Ungeduld hervor, ignorierte den erstaunten Blick und machte sich an die Arbeit.
    Vordem er in seine Wohnung zurückkehrte, hatte er vorsorglich eingekauft, was sich als äusserst umsichtig erwies, denn Consuelo hatte die Nahrungsbestände seiner Küche fast vollkommen vernichtet. Auf dem Herd stand ein leerer Topf, ausgekratzt bis zum kleinsten Restchen, daneben ein leerer Suppenteller, ebenfalls säuberlich geleert. Er lachte, als er sich die leeren Konservendosen ansah, denn sie hatte offensichtlich alles zusammengeschüttet.
    Sie blickte entschuldigend auf die Sammlung und erklärte mit der naiven Souveränität eines Kindes: „Ich werde gleich aufräumen, aber ich wollte, dass du weisst, was ich alles gegessen habe. Sonst vermisst du vielleicht etwas.“
    Dann schickte sie sich an, die Küche aufzuräumen und eine weitere Mahlzeit zu kochen. Stattdessen aber verwies er sie der Küche, mit der Erklärung sie sei sein Gast. Als sie beim Essen auf dem Sofa im Wohnzimmer sassen, wo Vincent zu essen pflegte, erkundigte er sich, was sie denn wolle.
    „Was meinst du damit?“ fragte sie wider.
    „Ich meine, was willst du nun machen? Was willst du von deinem Leben?“
    Sie blickte auf ihren Löffel, aus dem verzerrt ihr Auge zurückblickte, und holte tief Luft. „Ich will leben“, brach es aus ihr heraus, „ich will einfach nur überleben, egal wie und egal auf welche Art, aber ich will nicht untergehen, nur weil ich gelitten habe, ich werde überleben.“
    Vincent blickte auf die quellendenden Bohnen auf seinem Teller und die geschnittenen Wurststücke und sagte „hm“.
    „Ich werde nur dadurch siegen, dass ich nicht aufgebe, dass ich nicht verharre, dass ich einen Weg in die Zukunft habe. Niemand kann mich kaputt machen, niemand kann mich zerstören, ich weiss, dass ich immer da sein werde, ob ich tot bin oder lebendig, ich bin ewig und unzerstörbar, das ist alles, was mir wichtig ist und das ist mein Sieg. Dass ich das weiss. Dass ich es nie vergessen werde. Ich werde niemals sterben und auch wenn mein Körper tot ist, ich bin es nie!“ schwoll es heftig aus ihr heraus und sie blickte ihn eindringlich an.
    „Ja“, erwiderte er. Es war ihm ein wenig zu metaphysisch. Er hatte auf konkretere Wünsche gehofft.
    Consuelo aber schien absorbiert von etwas, was sich ihm entzog und was er nicht benennen konnte. Ihr Blick schien auf etwas zu ruhen, was er nicht kannte, nicht einmal ahnen konnte.
    Mit einem Seufzen leerte Vincent seinen Teller. Es war wohl zu früh, von der kleinen Consuelo eine Antwort zu erwarten.
     

XI
    Es war die grosse Mutter.
    Ihre drei Kinder waren Festigkeit, Schönheit und Liebe. Die Festigkeit bewohnte das Irdene, die Schönheit im Reich der Seele und des Geistes.
    Die Liebe aber war der jüngste, nachgeborene Sohn und der Mutter Teuerstes und sie gab ihm alles hin. So waren den Reichen keine Grenzen mehr gegeben, innerhalb derer sie wirken sollten.
    Da gebar sie den Leib der Erde und wärmte ihn brütend an ihre Brüsten. Als die Erde gereift war, schuf die grosse Mutter den Menschen nach dem Bilde der Welt.
    Als deren Abbild soll es ihm gelingen, die Reiche der Sinne und der Schönheit mit der Liebe zu
    einen.
     
    Vincents gewohnte Unabhängigkeit war durch den unverhofften Gast eingeschränkt. Seine Anteilnahme an ihrem Schicksal liess sich nicht von seinem Unmut trennen, dass er ein unabsehbares Risiko eingegangen war, das Kind zu entführen und nun zu beherbergen. Paraguay mochte seit dem Ende der Diktatur neben erhöhter persönlicher Freiheit des Einzelnen ein Biotop anarchischer Bewegungen sein, aber auch hier gab es Grenzen. In ihm glimmte Ungeduld, denn er fürchtete sowohl um seinen Ruf als auch um seine Zukunft.
    Gleichzeitig aber erschütterte ihn täglich ihr Anblick, denn sie hatte im Hause der Flammenden Herzen anscheinend geradezu vorsätzlich zu Essen aufgehört. War sie schon zuvor schmal und zart gewesen, so schien sie nun fast durscheinend zerbrechlich. Ihr Teint war fahl und ihre Haar stumpf, aber sie hatte zumindest wieder zu essen begonnen, so dass sie sich erholen würde. Nach dem ersten üppigen Mahl war ihr allerdings übel geworden, doch inzwischen schien sie auf gutem Wege.
    Sie teilte ihm eines Tages mit, wie sie der Gemeinde der Flammenden Herzen entkommen war. Dabei erfuhr er beiläufig, dass sie in einem

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