Paradies. Doch kein Himmel (German Edition)
kommst du überhaupt dazu, so mir nichts dir nichts eine Abtreibung zu vermitteln?! Du weisst doch, dass dieses Land erzkonservativ und zudem streng katholisch ist. Du hättest doch wissen müssen, wie die darauf spitz sind!“ ereiferte sich Curdin und seine Stimme nahm einen kreischenden Ton an, während er immer lauter wurde.
Vincent legte den Kopf in den Nacken und erwiderte hart: „Ich vermittle nicht mir nichts dir nichts eine Abtreibung, ich habe die Sache an Patricia weitergeben, weil ich dachte, das sei nicht so mein Gebiet. Ich habe mich nicht im Einzelnen darum gekümmert, wie sie die Sache gelöst hat.“
Curdin atmete schwer. „Patricia hat das gemacht?“ fragte er dann.
„Ja, ich kenne Cevas‘ Tochter nicht“, bestätigte Vincent. „Und das mit dem Kleingewerbe ist eine ähnliche Idiotie. Es gab wohl einen Fehler im Antrag, aber das ist doch kein Grund für ein solches Theater.“
„Du hast gesagt, sie werfen dir Irreleitung der Behörden vor?“ hakte Curdin nach.
„Das tun sie, aber wollen sie wirklich darauf bestehen? Willst du mir sagen, ich werde für ein Versehen geköpft?“ erkundigte sich Vincent.
„Oh, um Himmels Willen Vincent, die Sache ist wirklich schlimm, grauenhaft ist das. Ich weiss gar nicht, was ich jetzt tun soll, ohne den guten Ruf des Hilfswerks in Frage zu stellen“, lamentierte Curdin und diesmal klang es fast weinerlich.
„Du setzt das Hilfswerk sicher in kein besonders gutes Licht, wenn du einfach mal kurz die Seite der Anklage einnimmst“, meinte Vincent trocken und Curdin starrte ihn an und liess sich, noch immer wie gebannt auf Vincent blickend, in seinen Stuhl sinken.
„Ich gehe dann mal“, sagte dieser in die lange Pause hinein und begab sich zu Patricia, um sie über den Hergang zu informieren. Sie dankte ihm dafür, dass er die Sache auf sich genommen hatte und starrte ihn mit derselben Hilflosigkeit an, die Curdin zuvor überfallen hatte.
Vincent setzte sich in sein Büro.
Er war ein Aussätziger auf dem Feld der Guten Taten.
Es war kein schöner Abend, den Vincent verbrachte. Er hatte den schweren Weg zu Ignacio vor sich und als er in den kargen kleinen Hinterhof zwischen verschiedenen Rückwänden der in La Chacarita üblichen Hütten trat, griff ihm eine kalte Hand in die Magengrube. Vincent überfiel wie eine Masse dicken Teers das schlechte Gewissen. Er sah an sich die Schuld kleben, Ignacios Unglück herbeigeführt zu haben. Dem Mann, dem er sich in Freundschaft verpflichtet hatte, hatte er nur Unglück gebracht.
Dieser begegnete ihm jedoch nicht mit Übelwollen. Als er von den neuen Entwicklungen hörte und von den Schwierigkeiten, in denen Vincent selbst steckte, liess er seine Sorgen beiseite und fragte mit Anteil nach den Gründen und den Vorgängen. Es war ihm nicht verständlich, wie Vincent das Missfallen der Regierung auf sich gezogen hatte, denn so nannte Ignacio die Anklage wegen Irreleitung der Behörden und Vermittlung eines Aborts. Für ihn stand keine rechtsstaatliche Verfolgung begangenen Unrechts zur Diskussion, sondern eine reine Frage von Gnade und Ungnade, in welche Vincent geraten war. Vincents Bekräftigungen, er hätte sich wirklich ein paar Ungenauigkeiten und Abweichungen zu Schulden kommen lassen, wies er zurück:
„Wenn die sich Gedanken darüber machen würden, was hier so alles nicht richtig ist, dann würde das ganze Land einsitzen. Und zu allererst die Regierung, kann ich dir sagen! Die, die zahlen können, die zahlen sich ihr eigenes Gesetz, die anderen, wir, wir kommen einfach drunter. Da kannst du nichts machen, so wollen es die Fetten und Reichen und wir können nichts ändern“, erklärte er mit kräftiger Stimme. „Die kommen drum herum und für uns gelten nur die Härten. Das war hier schon immer so, das wird auch so bleiben. Aber was soll ich machen, ich habe nur dieses Leben, ich kann kein anderes haben. Hier ist meine Familie, hier ist alles, was ich habe, hier muss ich versuchen, glücklich zu sein“, sprach Ignacio donnernd und sein Blick war gesenkt wie der eines Stieres im Angriff.
Vincent aber erwiderte deprimiert: „Ich habe die Sachen besser machen sollen, als sie die letzen Jahrhunderte waren, weisst du, ich wollte etwas verändern. Aber da bin ich jetzt und alles ist noch viel verreckter als zuvor. Was soll ich mir dazu sagen? Dass ich Unglück bringe, wohin ich gehe? Dass ich denen Leuten Schaden bringe, denen ich helfen will und die mir am Herzen liegen? Das ist doch so
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