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Paradies. Doch kein Himmel (German Edition)

Paradies. Doch kein Himmel (German Edition)

Titel: Paradies. Doch kein Himmel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthea Bischof
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fragte er.
    „Ein nervenaufreibender Spass“, erwiderte Nuuk kühl.
    „An was arbeiten Sie denn gerade?“ fragte er unbeeindruckt weiter.
    „Betreiben Sie Industriespionage?“ gab Nuuk zurück.
    Er winkte ab: „Was wollen Sie, wir müssen doch zusammenarbeiten. Schauen Sie sich nur um, die meisten, die hier sind, wissen doch nicht, was Sie und mich beschäftigt. Wir sind die Exoten hier. Aber wir sind teure Exoten, Sie wissen schon. Wir brauchen unseren Unterhalt, gute Labore, gutes Material. Wir müssen Blinden und Lahmen erklären, wie eine optimale Rennbahn auszusehen hat, nicht war? Ich finde es hart, aber wissen Sie, heute habe ich Glück gehabt, heute habe ich jemanden überzeugen können. Das passiert mir nicht so oft. Ihnen fällt das wohl leichter“, führte er aus und legte den Kopf schräg, so dass er noch weiter zu ihr aufsehen musste.
    Doch sprach er Nuuk derart aus der Seele, erfasste in seiner Klage plötzlich alle Facetten ihrer eigenen Frustration und sie lächelte.
    „Ach Gott, Sie haben ja sowas von recht“, sagte sie und sie sprachen lachend und begeistert von ihren Erfolgserlebnissen und den Unbilden der Forschereinsamkeit und erst als der Saal sich allmählich entvölkerte und das Personal diskret Buffet und Tabletts leerte, um die verbleibenden Gäste dezent zum Gehen anzuregen, fiel Nuuk auf, dass sie aller streunender Sponsoren- und Subventionsgelder verlustig gegangen war.
     
     
    Danach legte Madame Frisolé einen Arm aufs Kissen und ihren zarten Nacken darauf. Sie hatte ihre
    Frisur zwar gelöst, aber Strümpfe und Büstenhalter anbehalten. Sie mochte keine ausufernden Intimitäten. Die Zigarette, die Milo Musanthin ihr auf ihre Anfrage hin reichte, hing zwischen ihren leicht gekrümmten Fingern.
    „Du musst wahrscheinlich ein paar Container-Lieferungen mehr bestellen“, sagte sie.
    „Wie? Warum?“ fragte Musanthin.
    „Es fällt für dich nicht besonders ins Gewicht. Bestell einfach zwei Container mehr pro Lieferung. Die erscheinen dann zwar auf der Rechnung, aber mit den Subventionen die du bekommst, kannst du das ohne weiteres abgleichen. Das tut euch nicht weh, verlass dich darauf“, erklärte sie.
    „Aha“, sagte er konsterniert.
    Madame Frisolé tätschelte seine Wange und sagte: „Du wirst es schon verstehen, ich werde dich sonst gegebenenfalls nochmals anrufen.“
    Sie rauchte gemächlich zu Ende, dann erhob sie sich, kleidete sich an und ordnete ihr Haar.
    „Bist du eigentlich verheiratet?“ fragte sie.
    „Nein“, erwiderte Musanthin perplex.
    „Schade aber auch“, sagte sie, griff nach ihrem zierlichen Jäckchen und der Tasche, tätschelte dem aufs Kissen gestreckten Mann nochmals die Wange und verliess das Hotelzimmer.
     

XV
    Zu Füssen der Berge fliesst der mächtige Strom und teilt das Erdreich nach Ost und nach West.
    Der Fährmann allein kennt die Wege des Wassers und er nur weiss, wer geht und wer widerkehrt.
    Der ewige Bote kennt Küste um Küste, doch er nur weiss um des Wassers Geheimnis.
    Kein Weg ist vergebens und
    keine Fahrt zu kurz, als dass der Fährmann sie nicht annähme.
    Sonderlich aber kennt der Fährmann den Ort,
    an dem im Paradies die Schlange haust.
     
    Vierzehn Quadratmeter umfassten die Grenzen seines Fassungsvermögens. Vierzehn Quadratmeter bemassen das Ende des Verstandes. Vierzehn Quadratmeter waren das Ausmass von Verzweiflung.  Darüber hinaus war nur die Masslosigkeit der Agonie.
    Eine ganze Existenz, die fähig war, die Erde zu messen und den Erdkreis zu umfassen, vernichtete sich in den grauen vierzehn Quadratmetern. Alle Kraft war dahingerafft, aller Stolz der Selbstheit war verloren. Es blieb kein Verstehen des Ichs, es war verschwunden die Erkenntnis, es blieb nur eine Uferlosigkeit von Gefühlen, eng begrenzt wie die schlammige Pfütze am Rande des Wegs, den Wagen und Fuss gleichermassen treten, ohne der feinen Unebenheit zu achten. Es waren die Angst, die zur Erstarrung wird, die Verzweiflung, die vernichtet, die Hoffnungslosigkeit.
    Vincent hatte lange Zeit in der Einzelhaft des Untersuchungszimmers zugebracht. Nur die Anzahl seiner Toilettenbesuche unterrichteten ihn ungefähr über die Länge seiner Gefangenschaft, denn Tageslicht fiel keines in das karge, zusehends schmutziger werdende Zimmer.
    Seine Kleidung war schmuddelig und er hatte sich seit seiner Inhaftierung nicht mehr gewaschen. Es musste fast eine Woche sein, während derer man ihn hier festhielt. Das waren die äusseren Fakten, an die er sich

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