Paradies. Doch kein Himmel (German Edition)
Verhörraum, weil ich mit meiner Botschaft sprechen wollte“, sagte Vincent und richtete seinen Blick auf den Herrn. „Sind Sie von der schweizerischen Botschaft?“
„Ja, mein Name ist Meister“, erklärte der Herr. „Sagen Sie mir bitte, warum Sie verhaftet wurden?“
Vincent erläuterte, wessen er sich schuldig bekannt hatte und Herr Meister bemerkte auffahrend, das sei doch kein Grund für eine Verhaftung und noch viel weniger für gewaltsames Festhalten. „Haben Sie mit Drogen gehandelt?“ fragte er deshalb scharf nach.
„Ich bin für ein Hilfswerk hierhergekommen. Halten Sie mich für doof?“ fragte Vincent dagegen.
„Ich denke überhaupt nichts in der Art, ich muss nur die Fakten kennen“, erwiderte Meister sachlich.
„Keine Drogen“, erklärte Vincent und starrte auf die Tischplatte. Er wünschte sich frische Luft. Er wünschte sich ein bequemes Bett.
„Gut. Dann werde ich Sie jetzt noch ein paar Minuten den örtlichen Behörden überlassen und Sie dann umgehend auf die Botschaft bringen“, erklärte Meister.
Die wenigen Minuten, die Meister versprochen hatte, entpuppten sich als eine weitere Nacht unter höchster Anspannung, die Vincent in dem angestammten stinkenden Zimmerchen zubrachte. Er sollte später erfahren, dass die Polizei verweigerte, ihn dem Diplomaten mitzugeben, weil das entsprechende Büro bereits geschlossen gewesen sei.
Als Vincent Thal endlich in Begleitung des blutarmen Meisters das Polizeigebäude in Asunción verliess, war es Dienstag und acht Tage nach seiner Verhaftung. Er hatte seine Schlüssel, Mobiltelefon und Geldbeutel wiederbekommen, doch das Bargeld fehlte und alle seine Bankkarten waren zerstört und unbrauchbar. Aus seiner Zeit beim Hilfswerk wusste Vincent, dass Diebstahl seitens der Polizei nichts Ungewöhnliches war. Die geknickten, zerkratzten und verschmierten Karten besorgten ihn jedoch.
Anscheinend war die anonyme Meldung schon vor Tagen bei der schweizerischen Botschaft eingegangen. Doch wie sich die Dinge verzögert hatten, war das Wochenende herangekommen, während dessen Gefangene nicht besucht und schon gar nicht befreit werden konnten.
Vincent erkannte mit einem dumpfen Schrecken , dass er wohl auf lange Zeit im Gefängnis von Paraguay versauert wäre, hätte er bei seinem neuerlichen Zusammentreffen mit Ruiz nicht weiterhin auf den Kontakt zur Botschaft bestanden. Dieser hätte ihn ohne sein Drängen gar nicht zu dem wartenden Diplomaten bringen lassen.
Etwas an diesem Fall war Herrn Meister seltsam vorgekommen. Er kümmerte sich gewöhnlich nicht um anonyme Anrufe, das widersprach seinen Grundsätzen. Doch nachdem er die Notiz achtlos beiseite gelegt hatte, war sie ihm immer wieder in die Hände gefallen, bis er sie endlich in den Abfall geworfen hatte. Doch aus unerklärlichen Gründen lag sie nach dem Mittag wieder mitten auf seinem Schreibtisch. Hätte Herr Meister über genügend Fantasie verfügt, hätte er den Umstand mysteriös gefunden. So aber hatte er die anonyme Notiz zum zweiten Male weggeworfen.
Doch am andern Tag lag sie wieder vor seinem Bildschirm, wie von Geisterhand aus dem Abfall gezogen. Da hatte selbst er die Stirn kraus gezogen und endlich zum Telefon gegriffen.
Herrn Meister fehlte das zweite Gesicht, sonst hätte er den garstigen Geist gesehen, der nun in grosser Befriedung das Büro der Botschaft verlassen hatte. Mit einem Male war es angenehm warm im Raum geworden.
Es war Herrn Meister gelungen, den Katalog der Anklagepunkte zu erhalten, den Ruiz Vincent bei seiner Verhaftung vorgelegt hatte. Die meisten Anschuldigungen erwiesen sich als derart absurd, dass sie sich selbst entkräfteten und durch Einwirken seiner Botschaft war Vincent Thal ein freier Mann. Doch da ihn das Hilfswerk unehrenhaft entlassen hatte, musste er innert Tagen das Land verlassen. Zudem hatte er Weisung, sich bei seiner Rückkehr nach Europa im Hauptquartier des Internationalen Roten Rings für seine Handlungen zu verantworten.
Innerlich fluchte Vincent dem braven Curdin für dessen selbstsüchtige Feigheit, setzte dem Urteil jedoch nichts entgegen. Bei allem, was er sich für Consuelo und bei den Nachforschungen zu Transmar hatte zu Schulden kommen lassen, wollte er keine eingehende Untersuchung herausfordern. Er hatte einfach zu viel zu verbergen.
Entsprechend bestätigte er die Entscheidung des Roten Rings und quittierte noch bei seinem Eintreffen auf der Botschaft seinerseits den Dienst. Dann rief er die
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