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Paradies. Doch kein Himmel (German Edition)

Paradies. Doch kein Himmel (German Edition)

Titel: Paradies. Doch kein Himmel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthea Bischof
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einfallen“, sagte er schliesslich und Consuelo lächelte ein bisschen.
     
     
    Bei seinem Besuch auf der schweizerischen Botschaft ging Vincent ein weiteres Risiko ein. Er erzählte Herrn Meister in groben Zügen von Consuelos schlimmen Erlebnissen und deutete an, dass seine Familie sich bereit erklärte, das Kind während einiger Monate aufzunehmen. Dass diese von ihrem Glück noch rein gar nichts wussten und gewiss nicht mit Begeisterung auf einen kleinen Feriengast reagieren würden, liess er unerwähnt. Stattdessen schloss er mit der Frage nach einem weiteren Flugticket an. Herr Meister wiegte abwehrend den Kopf.
    „Wir sind hier schon nicht die Heilsarmee, wissen Sie“, meinte er.
    Vincent nickte. Dann schilderte er dem blutarmen Meister, was Consuelo ihm vom Sektenpriester erzählt hatte. Er erzählte von der Gemeinde der Flammenden Herzen und dem Missbrauch und schob Meister nach und nach die Verantwortung für die Gefahr zu, in der das Mädchen möglichweise noch immer schwebte. Herr Meister wiegte noch immer den Kopf, aber schliesslich erklärte er sich bereit, die Möglichkeiten für eine Ausreise Consuelos in Erfahrung zu bringen. Die Sache war aufwendig, weil das Mädchen keinen Reisepass besass und die paraguayischen Behörden liessen wenig Hoffnung auf schnelles Ausstellen eines solchen zu.
    Bei der Rückkehr in seine Wohnung fand Vincent die Sendung aus dem Büro des Internationalen Roten Rings vor. Nun verfiel er auf eine Idee und er rief Patricia an. Sie erschrak, als sie ihn erkannte und senkte unwillkürlich die Stimme.
    „Ich bin wohl Persona non grata bei euch?“ fragte er provozierend.
    „Es tut mir so leid, wie das gelaufen ist! Wirklich, Vincent, glaub mir. Du hast das nicht verdient!“ sagte sie nachdrücklich, aber so leise, dass sie sich selbst kaum zu verstehen vermochte.
    „Ja danke“, erwiderte er kühl.
    „Ich weiss ja, dass das eigentlich auf meine Kappe gehen sollte, weisst du, ich schulde dir was“, sprach sie weiter.
    „Hm“, sagte er darauf und liess eine Pause entstehen.
    „Ja, doch. Kann – kann ich etwas für dich tun, Vincent?“ fragte sie schliesslich.
    „Hm“, wiederholte er. „Da wäre möglicherweise wirklich etwas. Aber du musst es für dich behalten, so wie die Sache mit Cevas‘ Tochter.“
    „Achja? Was ist denn?“ fragte Patricia neugierig. Vincent war anscheinend voller Überraschungen.
    Nun schilderte er ihr, dass ein Kind von einer Schweizer Familie für einen Sprachaufenthalt eingeladen worden sei, dass diesem aber ein Reisepass fehle und die Abreise kurz bevor stünde.
    „Hast du dich nicht früher darum kümmern können?“ fragte Patricia verdutzt. Dann aber wies sie ihn an, ihr die Angaben und Fotos des Kindes zu beschaffen und erklärte sich bereit, ihn zu unterstützen. Als Vincent den Hörer auflegte, fragte er sich, weshalb er das schlechte Gewissen seiner Mitmenschen nicht schon zu anderen Zeiten für sich hatte arbeiten lassen.
    Zu anderen Zeiten aber war er nicht derart am Boden gewesen wie jetzt.
     
     
    Vincent sass auf dem kümmerlichen Sitz der kleinen Maschine, der schmutzige Gurt beengte ihn ebenso wie die schmale Rückenlehne. Es war gelungen. Dank Patricias Hilfe hatte er einen provisorischen Reisepass für die Kleine. Es war der Botschaft gelungen, den Einladungsfax seiner Eltern kurzerhand zu einem offiziellen Dokument zu befördern, so dass er das Kind auf drei Monate mit zu ihnen bringen konnte. Er fuhr sich durchs Haar. Seit seiner Verhaftung waren nun siebzehn Tage vergangen. Neben ihm war Consuelo gekuschelt, von der Enge weniger behelligt, doch voller Vorfreude und Befürchtungen. Die Maschine setzte sich eben in Bewegung, die ersten Meter mit Beschwerlichkeit überwindend.
    Consuelo blickte gespannt aus dem ovalen Fenster, auf die vorbeiziehenden Gebäude des internationalen Flughafens in Luque, Asunción. Weiss dominierte das Bild, die Gebäude, die Maschinen, die Wagen und die dichten Wolken, die heute den Himmel bedeckten und die Welt in eine diffuse Helligkeit tauchten. Sie lehnte den Kopf an den dicke n Rahmen der Luke und liess das Licht auf ihre geschlossenen Augen fallen. Blendend war die Wirkung, selbst wenn nicht alles so weiss und rein war, wie sie es heute zu sehen vermochte. Doch zu viel Hoffnung erfüllte sie, Hoffnung auf etwas unbestimmt Gutes, das ihr nun widerfahren sollte. Es war wie unbegrenztes Einatmen, ein Gefühl der grenzenlosen Freiheit. Es liess sich nicht einschränken durch das dicke

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