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Paradies. Doch kein Himmel (German Edition)

Paradies. Doch kein Himmel (German Edition)

Titel: Paradies. Doch kein Himmel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthea Bischof
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Glas, durch die Gurte und die schmalen Sitze. Nicht einmal der raue Stoff auf ihrem nackten Arm konnte ihr so nahe kommen, dass sie ihn bemerkt hatte. Die Welt war ihr überstrahlt von Weiss, wo andere wohl nur grauen Himmel und funktionale beige Bauten erkannt hätten.
    Es war das erste Mal, dass Consuelo fliegen würde. Die Luftdruckveränderungen machten sich ihr bereits bemerkbar, selbst wenn erst die Lüftung eingeschalten wurde, während sie noch am Boden waren. Sie war ein wenig nervös, ihre Heimat zu verlassen, das ruhige Paraguay, das ihr derart wechselvolle Schicksale gebracht hatte. Nun würde sie nicht nur ein anderes Land sehen, denn sie flogen über Brasilien, nein, sie würde einen neuen Kontinent kennenlernen. Sie hatte im Schulbuch über Erdkunde Bilder gesehen, aber sie hatte keine Vorstellung davon, was sie erwarten würde. Sie fragte Vincent immer wieder nach seinem Geburtsort, aber sie konnte sich aus seinen Worten kaum einen Reim machen. Er hatte gesagt, dass die Stadt aus der er stammte, eine Art Touristenzentrum sei . Aus aller Welt Volk strömte dahin, um die Berge zu sehen, die sich im See spiegelten und die altertümlichen Brücken. Dass für ihn all die vielfotografierte Herrlichkeit aber sehr gewöhnlich sei. Wo man geboren sei, das fände man nie exotisch. Consuelo dachte über seine Worte nach und sie begann zu begreifen, dass ihr vertrautes Daheim einem Menschen von einem anderen Kontinent vollkommen neu, fremd, unverständlich sein konnte.
    Sie atmete lange aus und die warme Luft streifte so fein die Haut unter ihrer Nase, wie die Zufriedenheit sich über sie selbst ergoss.
    Die Düsen heulten auf und die Beschleunigung setzte ein, als Consuelo mit unvermutetem Druck gegen die Rückenlehne gedrückt wurde. Ihr Magen presste sich zusammen und ihr Atem ging schneller. Da sah sie, wie neben einer stehenden Maschine ein Gepäckwagen von falsch gepackter Überlast stürzte und den danebenstehenden Gepäckträger mit sich zu Boden riss. Doch die Szene entzog sich ihrem Blick, als die Welt immer schneller vor der brüllenden Maschine vorbeizog und bald keine Gebäude mehr zu sehen waren, sondern nur noch das filigrane Werk der unbegreiflichen Wolken.
     
     
    Auf der Ausreisebehörde gingen wie immer die Listen der Passagiere ein, die das Land verlassen hatten.  Die Zeitung war heute ausnehmend langweilig und deshalb ging der Beamte die Aufstellung und die Destinationen durch. Aus Gewohnheit blieb der Blick des Beamten an den ausländischen Namen hängen. Doch dann stutze er: neben Vincent Thal stand klar zu sehen Consuelo Fernandez. Er starrte den Namen an. Er schüttelte den Kopf. Starrte wieder den Namen an und überlegte, ob es dieselbe sein mochte.
    Er legte die Liste bei Seite und ging in die Kaffeepause.
    Doch es liess ihm keine Ruhe. Consuelo Fernandez.
    Schliesslich griff er zum Telefon und rief die Gemeinde der Flammenden Herzen an. War die Kleine nicht verschwunden?
    Der Beamte informierte über alles, was er wusste und gab auch den Namen des Begleiters an. Dann griff er zu seinem Tereré und legte die Listen weg. Für heute hatte er genug getan.

XVI
    Aus glänzendem Eis ist geboren der rege Strom. Giesst sich hinab, wo der Berge weissgekrönte Häupter den grünen Tälern gewichen sind.
    Wo des Flusses weiches Kräuseln in den glattspiegelnden See übergeht und ruhig fortan das schneeige Wasser sich wärmt, liegt die Schwelle der Lucerna verborgen.
    Doch des Lichtes aufglänzendes Spiel zeugt unerkannt vom Geheimnis der verschleierten Göttin. Ver borgen im leuchtenden Weben der Schleier ist der Eingang
    zur andern Welt,
    die kein Fuss je betrat,
    der nicht Elfenwege weiss.
     
    Seine Mutter hatte sie abgeholt. Es war Mittag und sie hatte sich frei genommen, um ihren langabwesenden Sohn am Flughafen abzuholen. Beide begegneten sich ein wenig steif. Vincent war seiner Familie so viele Erklärungen schuldig und Frau Thal wusste nicht, was sie von dem kleinen stummen Feriengast zu halten hatte. Das Mädchen sah sie mit ihren brombeerschwarzen Augen unter dichten Wimpern so nachdrücklich und erstaunt an, dass sie unsicher wurde.
    So sassen sie zu dritt im Wagen und das Gespräch ging schleppend. Die Heizung tat ihr bestes, die beiden sonnenverwöhnten Gäste zu wärmen, doch Consuelo schlotterte herzerweichend auf der Rückbank. Das blasse Licht des Aprils tauchte das Land in verschwommenes Grau, als der Nebel sich zur Sonne hin erst lichtete, so dass eine silberweisse Scheibe

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