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Paradies für alle: Roman (German Edition)

Paradies für alle: Roman (German Edition)

Titel: Paradies für alle: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
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Tielow wohl auch verhauen«, sagte Herr Rosekast nachdenklich.
»Wäre das philosophisch richtig?«, fragte ich.
»Vielleicht«, sagte Herr Rosekast. »In jedem Fall wäre es ungemein befriedigend.«
»Wir dachten, wir schreiben ihm einen Brief«, meinte ich. »Und sagen, dass wir wissen, dass er seinen Hund haut. Und dass wir ihn bei der Polizei anzeigen, denn dann kommen sie und nehmen ihm den Hund ganz weg, so dass niemand mehr auf seinen Hof aufpasst und er sich selbst in den Zwinger setzen und bellen muss, wenn er will, dass keiner reinkommt.«
Lotta kicherte.
»Ich kann den Brief auf der Maschine tippen«, fuhr ich fort. »Dann merkt Herr Tielow nicht, dass der Brief von uns kommt. Keine Handschrift und so.«
Herr Rosekast nickte. Eine Weile schwiegen wir. Ich fragte mich, wie ich es anstellen sollte, dass wir doch wieder über Paradiese und Götter redeten, denn dazu war ich ja gekommen, nicht, um über Hunde zu reden. Hunde sind vergleichsweise langweilig, denn es ist ganz klar, dass es sie gibt, was bei Paradiesen und Göttern nicht der Fall ist.
»Warum sind bei Ihnen in der Wohnung Fledermäuse?«, fragte Lotta.
Ich warf ihr einen warnenden Blick zu. »So was fragt man nicht«, zischte ich.
Herr Rosekast zuckte die Schultern. »Fühlen sich wohl wohl da«, meinte er.
»Und warum räumen Sie die Bücher nicht auf?«
»Lotta«, flüsterte ich. »Psst!«
»Ich denke, dass es sich nicht lohnt, sie in Regale zu stellen«, antwortete Herr Rosekast. »Ich brauche sie ja doch irgendwann, und dann muss ich sie nur wieder rausholen.«
»Die Fenster sind auch ganz dreckig«, sagte Lotta. »Oder ist das, damit Sie die Vorhänge gar nicht erst zuziehen müssen?«
»Jetzt reicht es aber«, zischte ich.
»Ich dachte nur, ich könnte ja hier ein bisschen Fenster putzen, das kann ich nämlich, wenn es eine Umverteilung des Geldes gäbe. Livia, meine Schwester, die putzt Fenster bei Jarsen, alle zwei Wochen. Die kriegt richtig Kohle dafür …«
»Ich habe eine Theorie entwickelt, die beinhaltet eine schiefe Ebene«, sagte ich schnell, weil Rosekast vielleicht nicht übers Fensterputzen reden wollte und bestimmt nicht darüber, dass sein Haus unordentlich war.
»Eine schiefe Ebene?«, fragte Lotta. »Wie das denn? Eine Sache ist entweder schief oder eben.«
»Die schiefe Ebene besteht aus einem kleinen Brett, das über ein Rundholz gelegt ist«, sagte ich. »Wie eine Wippe. Und am Ende, also unten, liegt eine Murmel. Man schiebt die Murmel das Brett hinauf, immer weiter … und wenn die Murmel über einen gewissen Punkt hinausgeschoben worden ist, den Scheitelpunkt, dann kippt das Brett«, sagte er.
»Und?«, fragte Lotta.
»Und«, sagte ich feierlich, »das ist es, was wir tun. Mit der Werkstatt.«
»Wir schieben Murmeln über Bretter?«
»Nein«, sagte ich. »Es ist nur eine Mitapher. Ein Bild. Man muss die Murmel nicht ganz bis ans andere Ende des Brettes schieben. Sobald es kippt, rollt sie von selbst weiter. Das heißt, wir müssen nicht allen Leuten helfen. Ein paar reichen. Sobald es etwas mehr sind als die Hälfte, erledigt sich der Rest von selbst. Dann kippt das Brett. Dann entsteht das Paradies. Ist das logisch?«
»Nee«, sagte Lotta.
»Ja«, sagte Rosekast.
»Sie glauben also auch, dass wir das Paradies schaffen können? Dass wir keinen Gott brauchen?«
»Was ich glaube, ist etwas anderes«, sagte Rosekast. »Ich glaube, es wäre schön, wenn Lotta die Fenster putzen würde. Ganz hinten in meinem Garten stehen lauter Obstbäume. Fürs Fensterputzen könnte Lotta so viel Obst mitnehmen, wie sie will.«
»Okay«, sagte Lotta.
Ich wollte kein Obst haben, aber ich wollte weiter mit Herrn Rosekast reden, und deshalb wollte ich etwas Nettes für ihn tun. So kam es, dass ich an diesem Nachmittag zusammen mit Lotta anfing, sein Haus aufzuräumen. Ich stellte zum Beispiel die Bücher in die Regale zurück. Manche waren gar nicht auf Deutsch, sondern auf Russisch oder auf Latein.

Liste der Dinge, die ich in meinem Leben noch lernen will:
     
Latein, wegen der Bücher
Russisch (auch wegen der Bücher)
Fenster putzen, falls Lotta mal krank wird und die Fenster trotzdem dreckig sind
wie man so lange wie Rosekast auf einer Bank sitzen und nachdenken kann, ohne einzuschlafen

Lotta putzte nur ein einziges Fenster, aber das sehr gründlich.
»Beim Jupiter«, sagte Rosekast, als sie fertig war, »es ist tatsächlich heller geworden in meinem Haus.«
Lotta grinste, und ich dachte über Jupiter nach. Vermutlich meinte er nicht

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