Paradies für alle: Roman (German Edition)
Tabletten
DIN A 3, neu, entliehen aus Lovis’ Schreibtischschublade
Apothekenposter, auf Rückseite bedruckt mit Tips, was man bei Husten und Erkältung macht
Es war Lotta, die den nächsten Punkt auf die Liste brachte: Tielows Hund.
Herr Tielow wohnt in der gleichen Straße wie Lotta. Eigentlich ist es eher ein Sandweg. Lotta wohnt ganz am Ende, mit ihren Eltern und ihren Schwestern (3) und ihren Brüdern (2). Herr Tielow wohnt am Anfang des Weges. Weil Lotta diesen Punkt auf die Liste brachte, schreibt sie hier nun auf, warum (ohne Verschlüsselung, weil das zu schwierig ist).
Liste der Hunde, die Her Tilo hat:
einen
Warum das zu den Porjekt gehort:
Weil er ihn imma haut und weil das is nich gerecht.
Woher ich das weis:
Weil ich hab es gesen.
Ich habe den Hund auf die Liste gesetzt und Lotta mitgenommen zu Herrn Rosekast.
Sie fand das Haus ein bisschen unheimlich. Herr Rosekast war zunächst nicht darin, genau wie bei meinem ersten Besuch. Nur die Bücher lagen noch immer auf dem Teppich und den Sesseln verstreut.
Ich schüttelte den Kopf. »Steig einfach über die Bücherstapel«, sagte ich zu Lotta.
»Hat er die Bücher alle gelesen?«, fragte Lotta und machte große Augen.
Ich nickte. »Und ich werde sie auch lesen«, sagte ich. »Nach und nach. Er hat gesagt, wenn ich möchte, darf ich. Früher war er mal etwas mit Religion, aber jetzt hat er mit Religion nichts mehr am Hut, sondern nur noch mit Philosophie. Religion ist eine Frage des Glaubens, Philosophie ist absolut.«
»Ah a«, sagte Lotta, wie sie es manchmal sagt, so ein AHA mit der Betonung auf dem zweiten A und einem kleinen Heben der Stimme, als ob sie eigentlich gar nicht »aha« meint, sondern was-für-ein-Unsinn. Etwas flatterte von irgendwo auf und machte über uns einen panischen Lärm mit seinen Flügeln, dann war es verschwunden.
»Eine Fledermaus«, sagte ich. Lotta schüttelte sich. »Bist du sicher, dass hier überhaupt einer wohnt?«, fragte sie, während wir durch die Bücherflut wateten. »Es sieht mehr aus als ob nicht.«
»Wirst schon sehen«, sagte ich und öffnete die Tür zum Garten. Und dann fanden wir Herrn Rosekast, er saß da wie beim letzten Mal, mit dem Rücken zu uns, in der Mitte der Bank, und sah auf die vier Eichen und auf das Wasser.
Wir setzten uns zu Herrn Rosekast auf die Bank, ich links und Lotta rechts, und er sagte: »Hallo David«, und ich sagte: »Ich habe jemanden mitgebracht.«
»Ah a«, sagte Herr Rosekast.
Er musterte Lotta eine Weile – ihr T-Shirt, das ein bisschen dünn war für Oktober, ihre Jeans, die ein bisschen klein war, und ihre Sandalen, in denen sie Tennissocken mit Löchern trug.
»Das ist Lotta«, sagte ich. »Sie hat sehr schöne blonde Locken.«
»Ja«, sagte Herr Rosekast ernst, »das finde ich auch.«
»Ich bin wiedergekommen«, sagte ich, »weil ich Ihnen von meiner Werkstatt erzählen wollte. Und weil ich dachte, wir könnten wieder über Philosophie reden, oder über Religion. Wir haben jetzt alle diese Vorträge in der Schule, über Jesus war auch schon was, und nächste Woche bin ich dran mit Buddha.«
»Und Lotta?«, fragte Rosekast. »Ist die auch mitgekommen, um über Philosophie zu reden?«
»Lotta ist meine Assistentin bei der Werkstatt«, erklärte ich. »Sie hört meistens eher zu, als zu reden.«
»Ah a«, sagte Herr Rosekast wieder. »Habt ihr denn die Allgemeine Gerechtigkeit inzwischen verbessert?«
»Wir fangen damit an«, sagte ich. »Auf meiner Liste steht jetzt ein zusätzlicher Hund, und wir haben Frau Hemke schon vier Mal im Garten geholfen.«
»Es macht einen ziemlich müde, dieses Gartengearbeite«, sagte Lotta und hielt sich eine Hand ins Kreuz, als hätte sie einen Bandscheibenunfall.
Ich glaube, Herr Rosekast lächelte ein bisschen, aber er verbarg das Lächeln hinter seinem dunstigen Blick, der wieder in die Ferne sah.
»Den Hund hat Lotta gerade erst gefunden«, fuhr ich fort. »Er gehört Herrn Tielow und ist ganz zerzaust und dünn und hat lauter Wunden. Er wohnt in einem Zwinger hinter Maschendraht. Er bellt immer, wenn man vorbeikommt, und er ist auch angekettet. Er soll wohl den Hof bewachen. Aber der Hund kann gar nichts bewachen, an einem Auge hat er nämlich eine Wunde.«
»Das kommt daher, weil Herr Tielow so oft Wutanfälle kriegt«, ergänzte Lotta. »Dann nimmt er irgendwas, einen Besen oder so, und haut den Hund, und der Hund jault sehr laut. Und mein Vater sagt, der Hund soll die Klappe halten, er nervt.«
»Dann sollte man den
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