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Paradies für alle: Roman (German Edition)

Paradies für alle: Roman (German Edition)

Titel: Paradies für alle: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
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Familie ist ganz anders als deine, und du wirst Professor, oder so, und ich arbeitslos, weil das so ist, und ob man dann noch Freunde sein kann?«
»Nehme ich wohl an«, sagte ich. »Wenn alles gutgeht, haben wir bis dahin das Paradies fertig erschaffen. Dann gibt es keine Unterschiede mehr, weißt du? Du wirst auch Professor.«
»Hihi«, sagte Lotta. »Ich. Stell dir mal vor.«
Und ich fragte mich, ob sie das glaubte, das mit dem Paradies, und ob ich das glaubte, und wir schwiegen lange, während der Mond aufging.
Schließlich war alles dunkel hinter Herrn Tielows Fenstern. Man konnte nur hoffen, dass er schlief.
Wir standen leise auf und schlichen zum Gartentor. Im Zwinger lag der schwarze Schatten des Hundes wie ein Stein. »Du wartest hier«, sagte ich zu Lotta, »vor dem Gartentor.«
»Nee«, sagte Lotta.
Und deshalb kletterten wir beide über das Tor; es war ja ganz niedrig. Die Tür des Zwingers war mit einem alten Zahlenschloss verschlossen, das hatte ich vorher schon gesehen. Billige alte Zahlenschlösser kann man ganz leicht aufmachen, man muss nur eine Weile daran ruckeln, dann klicken sie in die richtige Position, das weiß ich, weil ich mal so eins für mein Fahrrad hatte.
Das Zahlenschloss gab sehr schnell nach. Der Weg zum Paradies war einfach.
Ich ging durch den Zwinger wie im Traum, bückte mich und hob den Hund auf meine Arme. Er war sehr schwer und sehr still.
»Lebt der noch?«, flüsterte Lotta zweifelnd. Ich dachte daran, wie schnell sich gute Dinge in böse Dinge verwandelten und dass wir vielleicht diesen Hund mit dem Schlafmittel umgebracht hatten, und mir wurde ganz heiß. Da kniff Lotta den Hund ins Ohr, was nicht nett war, aber sehr effektiv, denn der Hund zuckte. Das war ein Moment, der auf meiner Liste an glücklichen Momenten ziemlich weit nach oben kommt, wenn ich irgendwann eine mache.
Lotta hielt mir die Tür des Zwingers auf, und ich trug den Hund hindurch, und danach mussten wir ihn über das Gartentor bekommen. Da war das Gartentor auf einmal viel höher als vorher. Ich wünschte, Herr Tielow hätte einen Dackel gehabt oder besser noch einen Chi Hua Hua, den hätte man einfach über das Tor werfen können wie einen Tennisball, obwohl es natürlich nicht nett ist, Chi Hua Huas zu werfen.
Schließlich beschlossen wir, dass ich ohne Hund hinüberklettern sollte und Lotta dann versuchen würde, mir den Hund anzureichen. Ich kam auch hinüber, aber der Hund war, da er kein Chi Hua Hua war, zu schwer für Lotta. »Höher«, flüsterte ich, »du musst ihn höher heben, sonst krieg ich ihn nicht richtig zu fassen …«
Und Lotta stöhnte und ächzte vor Anstrengung, und schließlich zog ich den schlaffen, schweren Hund an den Vorderpfoten über das Tor. »Du musst die Tür zum Zwinger noch zumachen«, wisperte ich. »Damit er nicht gleich was merkt.«
Da nickte Lotta und ging noch einmal zurück. Ich stand mit dem schlafenden Hund in den Armen vor dem Tor, und mein Herz hüpfte. Wir haben es geschafft, sang mein Herz, wir haben es geschafft …
In diesem Augenblick polterte etwas in Tielows Haus. Ich erschrak und machte einen Schritt zurück, und dann ging plötzlich das Außenlicht an und die Tür war offen und Herr Tielow stand darin. Lotta hielt das Zahlenschloss noch in der Hand. Das Außenlicht beleuchtete sie sehr gut, sie strahlte einen Moment wie ein Engel, ein Türhüter des Paradieses, ihre blonden Locken waren golden und ihr Gesicht so schön wie gemalt.
»WAS«, sagte Herr Tielow.
Ich trat noch einen Schritt zurück, damit das Licht nicht auf mich und den Hund fiel, und noch einen, und noch einen.
»TUST DU«, sagte Herr Tielow.
Das Mondlicht beleuchtete mich natürlich trotzdem. Ich überlegte rasend schnell. Ich konnte nicht hier stehen bleiben.
»HIER?«, sagte Herr Tielow.
Der Engel Lotta – oder die Engelin – ließ die Zwingertür los. »Kirschen«, sagte sie laut und deutlich.
»WIE?«, fragte Herr Tielow. Seine Stimme war verschlafen, aber unter der Verschlafenheit lag eine hellrote Wut, die schon durch die Ritzen drang. Ich krallte meine Hände in das Fell des Hundes. Ich wusste, dass ich den Hund auf gar keinen Fall loslassen durfte, egal, was passierte.
»Ich hab Kirschen gepflückt«, sagte der Engel. »Von Ihrem Baum.«
»SO«, sagte Herr Tielow. »Nachts. Von meinem Baum. Euch kennt man ja, die aus deiner Familie, wie viele seid ihr? Zehn? Ihr klaut wohl alles, was nicht niet- und nagelfest ist. Kirschen. Nachts. Soso.«
Dann ging er über den Hof, barfuß,

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