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Paradies für alle: Roman (German Edition)

Paradies für alle: Roman (German Edition)

Titel: Paradies für alle: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
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sagte sie, könnte sie so krank werden, dass sie direkt starb, damit sie in ihrem eigenen Haus sterben konnte. Ich sagte ihr, dass das Unsinn war und dass sie uns helfen musste, aber sie war an diesem Abend sehr schwerhörig, obwohl sie sonst gar nicht sehr schwerhörig ist.
Wir selbst konnten Herrn Tielow die Torte nicht bringen, das wäre verdächtig gewesen. Wir warteten eine Weile, ob jemand Geeignetes vorbeikäme, und was vorbeikam, war Jarsens Jeep mit Jarsen darin, und wir winkten, aber obwohl der Beifahrersitz leer war, redete er mit jemandem, wahrscheinlich mit einer Person, die hinten in dem Jeep saß. Jedenfalls sah er uns nicht und fuhr weiter. Hinter Frau Hemkes kleinem Haus auf dem Feld war die einsame Spaziergängerin unterwegs, der winkten wir ebenfalls, und ihr langes schwarzes Haar winkte zurück, aber sie selbst war zu sehr in Gedanken, um uns zu bemerken.
Da gingen wir (mit der Torte) wieder zu mir nach Hause, und das war nicht gut für die Torte, die eine Sahnetorte war und inzwischen in ihrer Plastikbox ein bisschen verformt.
Lovis war in ihrem Atelier. Sie hatte einen Pinsel in einer Hand und das Telefon in der anderen, als ich die Tür aufmachte. An ihrem Gesicht sah man gleich, dass sie es nicht in Ordnung fand, dass die Tür gerade jetzt aufgemacht wurde.
»Dies ist ein Notfall«, sagte ich. »Kannst du zu Herrn Tielow gehen und ihm dieses Stück Torte geben und sagen, du hättest Geburtstag und das Stück Torte wäre über, und Herr Tielow könnte es haben, weil er doch dein Nachbar ist?«
»Herr Tielow ist nicht mein Nachbar«, sagte Lovis. »Wer ist Herr Tielow?« Und ins Telefon: »Ja, einen Moment. Für die Ausstellungseröffnung morgen habe ich sogar … ich habe eine Torte gemacht, die zum Thema passt, sozusagen ein Kunstwerk. Nein, nicht wirklich, die Torte ist mehr ein Witz … Sahne …« Und wieder zu mir: »Moment. Das ist ein Stück von der Torte.«
»Sie war im Kühlschrank«, sagte ich. »Herr Tielow wohnt in der Straße zum Wald, links, im letzten Haus vor dem Hügel, nachdem nur noch der Bauernhof kommt.«
»Ja, gleich«, sagte Lovis ins Telefon.
»Du kannst mit dem Auto fahren«, sagte ich. »Vergiss nicht, es ist eine Geburtstagstorte …«
»Ich habe nicht Geburtstag«, sagte Lovis.
»Komm jetzt«, sagte ich. »Sonst geht unser Plan nicht auf.«
»Unser?«, fragte Lovis.
»Lotta wartet draußen auf mich.«
»Lotta«, wiederholte Lovis, ließ plötzlich das Telefon sinken und sah auf die Uhr, die über der Tür ihres Ateliers hing. »Es ist neun durch«, sagte sie. »Wieso wartet Lotta abends nach neun Uhr auf dich? Wieso bist du nicht im Bett? Es ist spät.«
»Nicht so spät, dass Claas wieder zu Hause wäre. Ich hätte ihn gefragt. Aber –«
»Claas hat Nachtdienst.«
»Lotta und ich haben heute auch Nachtdienst«, erklärte ich. »Kommst du jetzt?«
»Nein!«, rief Lovis, merkte, dass sie das Telefon noch in der Hand hielt, sagte etwas wie »Entschuldigung« hinein und legte auf.
»Du gehst jetzt ins Bett«, sagte sie zu mir, »ich entsinne mich vage, dich dort heute Abend schon einmal hingebracht zu haben.« Da wurde ich sehr wütend, weil sie überhaupt nichts verstand, und deshalb schmiss ich die offene Plastikbox mit der Torte darin. Die Torte landete auf Lovis Leinwand, und ich schrie, dass das Bild jetzt wohl fertig sei, und schön modern noch dazu, und Lovis schrie auch irgendwas, und eine halbe Stunde später lag ich im Bett. Fünf Minuten lang. Dann kletterte ich aus dem Fenster auf den linken Kastanienbaum und von da aus hinunter zu Lotta, die immer noch wartete.
»Wo ist die Torte?«, fragte sie.
»Auf Lovis Leinwand«, sagte ich und seufzte.
»Oh«, sagte Lotta. »Dann haben wir jetzt nur noch die Schlafwurst. Für den Hund.«
»Schlafwurst ist ein schönes Wort«, sagte ich. »Das kommt vielleicht demnächst auf irgendeine Liste.«
Herr Tielow sah fern, als wir bei seinem Haus ankamen, hinter den niedrigen Fenstern seines geduckten Hauses flackerte es blau wie ein geheimnisvolles kaltes Feuer. Wir warfen die Schlafwurst durch die Maschen des Gitters, dort, wo der Zwinger an den Gartenzaun stieß. Der Hund fraß sie völlig kommentarlos, legte sich in eine Ecke und sah uns eine Weile an. Dann schloss er die Augen. Aber wir mussten warten, bis auch das Haus seine blauen Flackeraugen schloss. Wir legten uns in die Wiese und sahen in den Himmel.
»Du«, sagte Lotta. »Wenn wir größer werden, sind wir dann eigentlich immer noch Freunde? Ich meine, meine

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