Paradies für alle: Roman (German Edition)
Lovis … wie heißt der Hund?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Das wird David uns sagen, wenn er wieder da ist.«
Als Claas gegangen war, ging ich hinauf ins Atelier und trat noch einmal vor die drei Staffeleien. Triptychon für David.
Ich sah dem vorgezeichneten Gott-Dämon in der Mitte fest in die Pinselstrichaugen.
»Das werden wir ja sehen«, sagte ich zu ihm, in vollem Bewusstsein, dass ich mich kindisch aufführte. »Das werden wir ja sehen, wer von uns gewinnt. Du kriegst ihn nicht, meinen David. Er wacht wieder auf. Du kriegst keinen von denen auf der Liste. Wir machen das Paradies ganz ohne dich, du wirst staunen.«
Dann machte ich mich auf den Weg zum Haus der Marie, wo ich noch nie gewesen war. Tagsüber sah man das rote Licht im Fenster nicht. Der Vorgarten war verwildert, aber mitten im trockenen Gras wuchsen zwei gelbe Tulpen. Ich tastete in meiner Tasche nach der Liste.
Ein wenig kam ich mir vor wie eine gefälschte Heilige, als ich an der Tür klingelte. Was würde ich sagen, wenn die Marie öffnete?
Guten Tag, mein Name ist Berek. Lovis Berek. Ich wohne auch in diesem Dorf. Wir kennen uns nicht … Ich bin die Mutter von David. Den kennen Sie sicher schon …
»Hallo«, sagte Celia, die die Tür geöffnet hatte. Sie hatte Ringe unter den Augen und steckte in etwas, von dem ich mir nicht sicher war, ob es ein Schlafanzug war oder etwas, das sie auch draußen auf der Straße trug. Es war lila mit einem verblassten Schriftzug über dem Busen und sehr schlabberig. Celia strich ihr blondes Haar hinter die Ohren und sah mich an, fragend.
»Ich wollte mich nur erkundigen, wie es … dem Baby geht«, sagte ich.
Celia lächelte und nickte.
»Darf … könnte … hätten Sie was dagegen, wenn ich ihm guten Tag sagen würde? Dem Baby?«
»Dann müssen Sie reinkommen«, sagte Celia. »Sie schläft.«
Natürlich, sie. Das Baby war kein es, es hatte ein Geschlecht. Und vermutlich einen Namen.
Celia führte mich durch einen engen Flur in eine Art Wohnzimmer, in dem es vor allem einen sehr großen Fernseher gab. Sie machte das Licht an, denn alle Vorhänge waren zugezogen. Vor der Couch, in der Mitte des Raumes, stand eine altmodische Wiege, die nicht zur Einrichtung passte. Sie war zu … schön.
In der Wiege lag das Baby, es steckte in einem weißen Frotteestrampler und es schlief wirklich; es schlief so friedlich, dass es aussah wie eine Puppe. Aber genau in dem Augenblick, als ich das dachte, bewegte es seine winzigen Arme, öffnete und schloss seine winzigen Fäuste, und ich verspürte den sehnlichen Wunsch, es aus der Wiege zu nehmen und zu halten. David hatte seine Fäuste beim Schlafen genauso geöffnet und geschlossen. Ich hatte nicht gewusst, dass ich mich daran erinnerte. Damals hatte ich ihn noch vor allem beschützen können. Damals hatte er keine Geheimnisse vor mir gehabt, damals war er Jahre von der Möglichkeit entfernt gewesen, zu verschwinden und überfahren zu werden.
»Wie heißt sie?«, fragte ich leise.
»Marie«, sagte Celia.
»Marie? Wie Ihre Mutter?«
Celia nickte. Und zum ersten Mal fragte ich mich, warum David Celia zu mir geschickt hatte. Hätte sie nicht ihre eigene Mutter fragen können, wenn es darum ging, wie man mit einem Baby umging?
»Wo … wo ist sie? Ich meine, die ältere Marie?«
»Nicht da.« Celia sah sich um, als wäre die Marie ein Gegenstand, von dem ihr eben aufgefallen war, dass sie ihn verlegt hatte. Sie schüttelte den Kopf, da die Marie im Wohnzimmer nirgendwo zu finden war. »Sie ist weg. Weggegangen.«
»Wann? Eben?«
Celia schüttelte noch einmal den Kopf. »Im Winter.«
»Im Winter?«
»Ich glaube … das war Anfang März. Anfang März ist sie weggegangen.«
»Und nicht wiedergekommen?«
»Nein.«
»Aber – wohin ist sie denn gegangen?«
»In den Wald«, sagte Celia, lauschte dem Nachhall der Worte und nickte bekräftigend. »Ja. Sie ist in den Wald gegangen. Wollen Sie einen Kaffee? Ich könnte einen Kaffee kochen.«
»Ohne Zweifel«, sagte ich. »Danke. Nein. Ich habe noch eine Liste an Dingen zu erledigen. Eine Liste von David. Aber ich verstehe noch immer nicht ganz, wo Ihre Mutter ist.«
»Ich auch nicht«, sagte Celia. Sie klang ehrlich. »Können Sie mal wiederkommen zum Baden?«, fragte sie dann.
»Zum – wie?«
»Die Kleine, die muss doch mal gebadet werden. In der Klinik haben die mir Handtücher geschenkt, das war nett, eins sogar mit einer Kapuze, winzig klein, für den Kopf von dem Baby. Aber
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