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Paradies für alle: Roman (German Edition)

Paradies für alle: Roman (German Edition)

Titel: Paradies für alle: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
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Handtücher hab ich ja schon selber, nur baden kann ich sie nicht, weil … ich hab ein bisschen Angst, ihr soll doch nichts passieren. Man muss sie doch festhalten, die Kleine, und ich weiß nicht so genau, wie. Könnten Sie mal kommen, und dann machen wir das zusammen?«
    »Ist in Ordnung«, sagte ich und merkte, wie sehr ich mich über ihre Bitte freute. Es war schön, gebraucht zu werden. »Wir baden die kleine Marie zusammen. Man soll Babys nicht dauernd baden, sonst verliert ihre Haut zu viel … ich weiß nicht … Fett? Ich könnte morgen. Wir baden sie morgen, morgen reicht.«
    »Morgen«, wiederholte Celia.
    Ehe ich ging, sah ich mich noch einmal im Flur um. Auch das Flurfenster war zugezogen.
    »Warum ist es so dunkel hier?«, fragte ich. »Warum haben Sie alle Vorhänge zugezogen? Babys brauchen es nicht besonders dunkel.«
    »Das ist nicht wegen der Kleinen«, sagte Celia. »Das ist wegen der Männer. Die kommen manchmal noch und denken, sie können mich bezahlen wie meine Mutter. Und wenn ich dann nein sag, gibt es welche, die werden böse. Da geh ich lieber gar nicht an die Tür, sondern ich sitz ganz still hinter den Vorhängen und tu so, als wär ich gar nicht da. Ist besser so.«
    »Oh«, sagte ich. Ich wünschte, ich hätte etwas Hilfreicheres sagen können.
    Als ich wieder auf der Straße stand, neben dem toten Gras im Vorgarten, blieb Celia noch einen Moment in der Tür stehen, als dächte sie über etwas nach.
    »Der David«, sagte sie, »wissen Sie, der hat vielleicht besser verstanden, wo die Marie hingegangen ist. Meine Mutter. Er hat so was gesagt.«
    Ich schüttelte den Kopf, und dann beschloss ich, trotz meiner Verwirrung einfach zu fragen, ins Blaue hinein. »Hat diese Sache etwas mit … Herrn Tielow zu tun? Oder mit Frau Hemke? Herrn Wenter? Oder …« Wen gab es noch in Davids seltsamem Projekt? » … Lotta?«
    »Ich glaube«, sagte Celia, aber sie klang verunsichert. »David hat gesagt, dass alle Sachen und alle Leute zusammenhängen. Ich hab das nicht ganz verstanden. Er hat gesagt …« Man sah, dass sie sich sehr anstrengte, um die Worte zusammenzubekommen, und ich merkte, wie ich mich ebenfalls anstrengte; wie ich mich konzentrierte, als könnte meine Konzentration Celia dazu bringen, sich an Davids Worte zu erinnern.
    »Er hat gesagt, alle müssen … irgendwie … gerettet werden, so was hat er gesagt. Frau Hemke und Herr Wenter und alle. Und deshalb muss er weggehen, hat er gesagt, aber er kommt wieder. Irgendwie so.«
    »Wohin er gehen wollte, hat er nicht gesagt?«
    »Nein«, sagte Celia. »Ich glaube, das war irgendwie geheim.«
    In diesem Moment begann die kleine Marie hinter ihr zu schreien, etwas in mir zog sich schmerzhaft zusammen, ich wollte hinlaufen und sie auf den Arm nehmen, und genau das tat Celia, jedenfalls drehte sie sich um und verschwand im Haus.
    Ich schüttelte den Kopf.
    War David also doch sozusagen freiwillig verschwunden? Wohin hatte er gehen wollen? Oder hatte er irgendwohin gehen wollen, und jemand hatte ihn verschwinden lassen, um ihn genau daran zu hindern?
    Eine Weile stand ich ratlos auf dem Bürgersteig und kam mir wieder vor wie ein schlechter Detektiv. Nur dass die Leute, denen ich Fragen stellte, nicht deshalb die Wahrheit verschwiegen, weil sie sie verschweigen wollten. Meine Zeugen waren einfach allesamt zu merkwürdig, um einen einzigen geraden Satz herauszubekommen. Je weiter ich den Spuren meines Sohnes folge, dachte ich, desto mehr merkwürdige Leute scheint es im Dorf zu geben. Eigentlich gab es überhaupt nur merkwürdige Leute.
    Aber ich selbst war auch nicht gerade un-merkwürdig, mit meiner Mauer und meinen Kästchen. Die Lehrer, die mich als Kind unterrichtet hatten, hatten mich auch merkwürdig gefunden. Sie hatten ein paarmal mit meinen Eltern darüber gesprochen, ob man mich nicht irgendwie behandeln sollte, psychologisch, weil normale Kinder keine grauen Kästchen malten. Die Lehrer und meine Eltern hatten sich später sehr gewundert, als ich für die grauen Kästchen auf einmal Anerkennung und Geld bekam …
    Ich sehnte mich danach, endlich wieder in die Galerie zu fahren und mich ein wenig zu einem Kästchen beglückwünschen zu lassen. Mich der Illusion hinzugeben, verstanden zu werden. Aber ich hatte keine Zeit für solche nebensächlichen Seelenstreicheleinheiten. Ich hatte eine Liste abzuarbeiten und ein paar Dinge herauszufinden.
    »Die Marie«, sagte ich leise vor mich hin, »ist in den Wald gegangen und

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