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Paradies für alle: Roman (German Edition)

Paradies für alle: Roman (German Edition)

Titel: Paradies für alle: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
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Prothese war, eine sehr gute, die man nicht bemerkte.
    »Du findest schon noch heraus, was passiert ist«, sagte er. Er lächelte, als er das sagte, und seine grünen Meereswellenaugen strahlten. »Du findest heraus, wie ich auf die Autobahn gekommen bin. Mach eine Liste der Leute.«
    Ich stand auf und streckte die Hände aus, wollte auf David zugehen, ihn umarmen, aber er tat einen Schritt nach hinten und war fort. Ich rannte zum Fenster, um mich hinauszubeugen – und stieß mit dem Kopf gegen die Scheibe. Das Fenster war nie offen gewesen. Draußen war alles dunkel.
    Auf einmal merkte ich, wie unendlich müde ich war nach der letzten durchwachten Nacht.
    Ich brauchte dringend Schlaf.

7.
    Das Erste, was ich am nächsten Morgen tat, war, den Hund ins Haus zu lassen. Er hatte unter der Verandabank geschlafen wie meist und zögerte, als ich ihm die Tür öffnete.
    »Komm«, sagte ich. »Ich stelle dein Futter jetzt hier drinnen auf den Boden, siehst du?«
    Das Futter überzeugte den Hund, er trottete langsam an mir vorbei zu der Schüssel. Wir besaßen noch immer kein Hundefutter, ich hatte die Schüssel mit gekochten Nudeln gefüllt, die vom Vortag übrig geblieben waren. Nachdem der Hund alle Nudeln gefressen hatte, sah er sich um, ging einmal um den Küchentisch herum und legte sich dann darunter.
    »Darf ich vorstellen?«, sagte ich. »Hund – Küche. Küche – Hund.«
    Eine Weile sah ich die Veranda an und den Wein, der dort rankte, und ich erinnerte mich daran, wie ich mir all diese Dinge gewünscht hatte, damals, als junges Mädchen: Ein Haus hatte ich mir gewünscht, ein Haus inmitten von Feldern und Wiesen. Einen Mann. Ein Kind. Eine Veranda mit Weinreben, die im Spätsommer leise reiften.
    Kitschige Visionen. Als junges Mädchen hat man eine Menge kitschige Visionen.
    Ich hatte meine Kitsch-Visionen in abstrakte Striche gekleidet. Ein Teil der kleinen grauen Kästchen, dachte ich jetzt, war wohl nie mehr gewesen als verpackte Träume, verpackt wie in schwarzweißes Geschenkpapier.
    Aber als sich alle meine Wünsche erfüllt hatten, waren die kleinen grauen Kästchen längst zum Selbstzweck geworden. Und die Veranda mit dem Wein war in den letzten Jahren meistens leer geblieben, weil ich in meinem Atelier gestanden und Kästchen gemalt hatte.
    War das nicht seltsam?
    Ich setzte mich mit meinem Kaffee an den Küchentisch und begann, eine Liste zu machen.
    Celia
    René
    Kühe
    Hund
    Frau Hemke
    Herr Wenter
    Es fühlte sich gut an, die Worte auf die Liste zu schreiben. Hinter »Hund« machte ich einen Haken. Und in genau diesem Augenblick kam Claas herein. Er war vor mir aufgestanden und schien einen Spaziergang gemacht zu haben, vor dem Frühstück, vor der Klinik, was ungewöhnlich war.
    »Guten Mor…« sagte Claas und sah auf den Fußboden.
    »Guten Morgen«, sagte ich. »Wir haben jetzt einen Hund. Es ist Davids Hund. Ich habe dir von ihm erzählt.«
    »Ja«, sagte Claas. »Oh. Natürlich. Der Hund, der früher Tielow gehört hat.«
    »Es ist noch Kaffee da«, sagte ich. »Setz dich.«
    »Lovis … hast du denn Zeit für einen Hund?«, fragte er, während er sich eine Tasse Kaffee eingoss. »Ich meine, du hast immer gesagt, das hättest du nicht … die Ausstellungen, und die Bilder … wird er dich nicht stören? Man muss jeden Tag mit ihm spazieren gehen, und zum Tierarzt, und …«
    »Es ist ja nicht mein Hund«, sagte ich. »Es ist Davids Hund, das habe ich schon gesagt. Ich passe nur auf ihn auf, bis David wiederkommt.«
    Claas nickte langsam, trank den Kaffee und nickte wieder.
    »Übrigens, mit dem Zimmer hast du recht«, sagte ich, angestrengt fröhlich. »Wir werden es ins Erdgeschoss verlegen. Es ist eigentlich egal. Wir haben genug Zimmer. Ich denke darüber nach, welches es sein wird. Ich kann es für David einrichten.«
    »Du wirkst sehr … wie soll ich das sagen … aufgeräumt.« Er klang müde und auf eine merkwürdige Art vorsichtig
    Ich zuckte die Schultern. »Ich habe beschlossen, Dinge zu tun. Statt zu hadern, verstehst du? David hat gesagt, es wäre gut, zu Beginn eine Liste zu machen, und das tue ich gerade.« Ich hielt den Zettel hoch.
    »David? Wann hat er das gesagt?«
    »Gestern Nacht«, antwortete ich und bereute sofort, dass ich es gesagt hatte. Claas’ Blick wurde mit einem Schlag sehr besorgt.
    »Geh in die Klinik, spielen«, sagte ich. »Ich komme hier schon klar.«
    Er schüttelte den Kopf, stand auf, drehte sich in der Tür noch einmal um.
    »Eins noch …

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