Paradies in Gefahr: Mittsommergeheimnis (German Edition)
trinken. Genau genommen hatte Hanna ihm zwar nicht die Erlaubnis erteilt, sich frei in ihrem Haus zu bewegen, aber sie würde ja wohl kaum etwas dagegen haben. Immerhin waren sie sich bereits sehr nahe gewesen.
Näher, als du es je hättest zulassen dürfen …
Er schob den störenden Gedanken beiseite und machte sich auf die Suche nach der Küche. Da das Haus nicht besonders groß war, wurde er bald fündig. Der Raum war, wie auch der Rest von Hannas Heim, nicht besonders luxuriös, aber dafür sehr gemütlich ausgestattet. Es gab einen Herd, einen Kühlschrank und eine Spüle. Das Sammelsurium überflüssiger Elektrogeräte, das in Mikaels eigener Küche in Stockholm vorherrschte, fehlte vollkommen. Das Zentrum bildete ein wuchtiger runder Eichentisch, um den im Kreis sechs Stühle angeordnet waren. Die rot-weiß karierten Sitzkissen darauf sorgten für das stilechte Schwedenflair, ebenso wie einige rot-bunt gemusterte Dalapferdchen, die zwischen einer eindrucksvollen Zahl an Kochbüchern im Regal standen. An den Wänden hing eine kunterbunte Mischung von Bildern und Fotografien, darunter ein kitschiges Ölgemälde, das einen röhrenden Elch im Wald zeigte, aber auch Postkarten mit moderner Kunst und Fotografien.
Diese Fotos fesselten Mikael sofort. Sie zeigten eine jüngere Hanna – etwa zwölf oder dreizehn Jahre –, die voller Stolz und Bewunderung zu einem Mann aufblickte, der mit seinem Rauschebart und dem langen silbergrauen Haar wie ein typischer Hippie aussah. Das Motiv wiederholte sich immer wieder: Hanna und der Mann auf einem Boot inmitten hoher Wellen, Hanna und er im Wald, an einem See, auf einem Berggipfel.
Neugierig geworden nahm Mikael eines der Bilder ab und drehte es um. Säuberlich mit Bleistift geschrieben stand dort: “
Pappa
und ich auf der Rainbow Queen – Protest gegen norwegische Walfänger.” Auf einem anderen las er: “Aktion gegen das Waldsterben, Uleåborg – Finnland.”
Leicht befremdet hob Mikael eine Braue. Hannas Vater war also offenbar ein engagierter Umweltschützer. Hoffentlich nicht einer dieser ewig gestrigen Typen, die sich gegen das Hotelprojekt in Dvägersdal sträubten! Mikael hatte für solche Leute kein Verständnis. Dieser verzweifelte Kampf gegen den Fortschritt war doch einfach nur lächerlich. Begriffen diese Leute denn nicht, dass sie sich damit am Ende nur selbst schadeten?
Mikael öffnete den Kühlschrank und nahm eine Flasche Wasser heraus. Dann öffnete er nacheinander die beiden Hängeschränke, bis er ein Glas fand. Damit wollte er sich an den Küchentisch setzen, als sein Blick auf ein paar Papiere fiel, die darauf verstreut lagen.
Natürlich wusste er, dass es ihn im Grunde nichts anging. Doch er konnte seine Neugier einfach nicht zügeln. Er wollte mehr über Hanna erfahren, und sei es nur um herauszufinden, was ihn so sehr an ihr faszinierte. Er nahm also eines der Blätter auf und fing an zu lesen. Schon die ersten Zeilen ließen ihn stutzen. Das klang ja wie … Ja, tatsächlich! Was er hier in den Händen hielt, war das handgeschriebene Protokoll einer Versammlung der Hotelgegner! Er fuhr damit fort, den Inhalt zu überfliegen, und seine Miene verfinsterte sich immer weiter. Diese Menschen schienen tatsächlich anzunehmen, dass der Schutz von ein paar Quadratmetern Natur wichtiger war als Wohlstand und Arbeitsplätze.
Mikael schüttelte den Kopf. Es war ja nicht so, dass er generell gegen Umweltschutz war – aber bitte nur dort, wo sich Aufwand und Nutzen einigermaßen die Waage hielten! Dieser verdammte Fels – der
Trollfjällen
– war nicht mehr als ein riesiger schwarzer Stein, der nicht einmal besonders zum Reiz der Landschaft beitrug. Ganz im Gegenteil, dachte Mikael, der sich an das leichte Unbehagen erinnerte, das ihm beim Anblick des
Trollfjällen
ergriffen hatte.
Was hatte Hanna bloß mit diesen wirren Spinnern zu tun? Sie gehörte doch nicht etwa zu ihnen?
Nein, erkannte er, als er das nächste Blatt durchlas und es dann langsam sinken ließ. Fassungslos schüttelte er den Kopf. Nein, Hanna gehörte nicht
zu
diesen Spinnern – sie war sogar die Rädelsführerin! Hanna Fredrikson, natürlich! Jetzt erinnerte er sich, dass er diesen Namen schon einmal gehört, ihn jedoch nicht mit ihr –
seiner
Hanna – in Verbindung gebracht hatte.
Kalte Wut stieg in ihm auf. Er schleuderte die Papiere zurück auf den Küchentisch, wo sie wild verstreut liegen blieben.
So war das also! Hanna musste irgendwie herausgefunden haben, dass
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