Paradies in Gefahr: Mittsommergeheimnis (German Edition)
verbrennen.
Vermutlich sollte er der ganzen Geschichte einfach ein Ende setzen. Jetzt, auf der Stelle. Er sollte sich bei Hanna für den netten Abend bedanken, die Rechnung zahlen und gehen, ohne noch einmal zurückzublicken. Doch er tat nichts dergleichen – und das, obwohl er eigentlich genau wusste, dass das zwischen ihnen im Grunde zu nichts führen konnte.
In den vergangenen Jahren hatte er nur hin und wieder lockere Affären gehabt. Die Frauen, mit denen er sich traf, wussten, worauf sie sich einließen. Mikael war nicht an einer dauerhaften Beziehung interessiert, und er spielte diesbezüglich stets mit offenen Karten. Wenn er einmal merkte, dass sich eine Frau doch Hoffnungen auf mehr machte, beendete er die Sache sofort. Er war realistisch, nicht grausam. Ihm ging es keineswegs darum, sich an irgendjemandem zu rächen. Er wollte einfach nicht eines Tages so enden wie sein älterer Bruder, dessen Schicksal ihm deutlich vor Augen geführt hatte, wie weit die Liebe einen Mann treiben konnte …
Hanna aber war keine Frau, die sich einfach so für ein kleines Abenteuer hergab, das spürte er einfach. Nichtsdestotrotz war Mikael zu neugierig auf sie, um die notwendigen Konsequenzen zu ziehen. Vielleicht würde sein Aufenthalt in Dvägersdal am Ende doch nicht so eine Zeitverschwendung werden, wie er befürchtet hatte.
Er sah Hanna an, deren Wangen vom Wein leicht gerötet waren. Sie sah sehr jung aus – und sehr müde. Immer wieder versuchte sie hinter vorgehaltener Hand ein Gähnen zu verbergen.
“Wir sollten uns wohl besser auf den Weg machen”, schlug er vor und winkte Märta heran. Eilfertig kam diese herbei, um dann enttäuscht wieder abzuziehen, als Mikael nur die Rechnung verlangte. Nachdem er gezahlt hatte, erhob er sich und wollte auch Hanna aufhelfen. Dabei bemerkte er jedoch, dass sie offenbar mehr getrunken hatte, als sie vertrug.
“Vorsicht”, sagte er und hakte sie unter. “Im Gegensatz zu dir hatte ich nur ein halbes Glas Wein – es wird wohl besser sein, wenn ich dich nach Hause fahre.”
“Aber ich bin mit dem Fahrrad da!”, protestierte sie schwach.
“Dann packen wir es einfach in den Kofferraum”, entgegnete er streng. “Keine Widerrede! Ich lasse dich in diesem Zustand gewiss nicht alleine fahren – und schon gar nicht mit dem Rad. Das wäre viel zu gefährlich, auch für die anderen Verkehrsteilnehmer. Also – sei doch vernünftig und lass dir helfen.”
Sie sträubte sich nicht länger.
Als Hanna auf dem Beifahrersitz von Mikaels Wagen saß und die abendliche Landschaft an ihrem Fenster vorüberglitt, wäre sie vor Scham am liebsten im Erdboden versunken. Sie schloss die Augen und lehnte die Stirn gegen das kühle Fensterglas. Dabei stellte sie sich immer und immer wieder dieselbe Frage: Wie hatte der Abend bloß so schrecklich aus dem Ruder laufen können?
Sie war fest entschlossen gewesen, Mikael gleich nach ihrem Eintreffen im
Soppakrogen
reinen Wein einzuschenken und ihm zu sagen, dass sie wusste, wer er war. Danach hatte sie ihn dazu bringen wollen, die Bauarbeiten einzustellen und sich einen anderen Standort für das Hotel zu suchen.
So weit ihr Vorhaben. Gekommen war es nur leider ganz anders. Nur die Sache mit dem Wein einschenken hatte stattgefunden. Aber leider ganz anders als geplant. Hanna hatte viel zu viel getrunken, und das war noch nicht einmal das Schlimmste. Denn statt ihre Chance zu nutzen und sich bei Mikael für den
Trollfjällen
einzusetzen, hatte sie sich wie ein verliebtes Schulmädchen verhalten.
Sie hatte versagt. Auf der ganzen Linie versagt! Und damit hatte sie nicht nur sich selbst, sondern auch all die Menschen enttäuscht, die ihre Protestaktion unterstützten. Was hätte ihr Vater bloß gesagt, wenn er das noch miterlebt hätte? Tränen stiegen ihr in die Augen, als sie an ihn dachte. Oskar Fredrikson hatte sein Leben voll und ganz dem Schutz der Natur verschrieben. Er war nie bereit gewesen, irgendwelche Kompromisse einzugehen. Für nichts und niemanden – nicht einmal für seine eigene Tochter.
Zitternd holte Hanna Luft und zwang sich, den schmerzhaften Gedanken an die Vergangenheit zu verdrängen. Doch es war wie ein Kampf gegen Windmühlen – am Ende konnte sie nicht gewinnen.
“Ist alles in Ordnung?”, fragte Mikael, und der Klang seiner Stimme ließ sie wieder in die Gegenwart zurückkehren. Hastig blinzelte sie die Tränen fort, ehe sie ihn anblickte und nickte.
“Ja, mir geht es gut”, log sie. “Es ist bloß der
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