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Paradies Pollensa

Paradies Pollensa

Titel: Paradies Pollensa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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mit John Lake zusammen gesehen – Sie wussten, wie es um die beiden stand. Ferner war es für Sie einfach, sich Zugang zu Sir Gervases Papieren zu verschaffen, und dabei stießen Sie auf den Entwurf des neuen Testaments, mit dem Ruth enterbt werden sollte, falls sie nicht Hugo Trent heiratete. Das gab den Anstoß für Sie, das Recht in Ihre Hände zu nehmen, indem Sie die Tatsache ausnutzten, dass Sir Gervase mir bereits geschrieben hatte. Wahrscheinlich sahen Sie einen Durchschlag dieses Briefes. Welche verworrenen Gefühle, welches Misstrauen und welche Angst ihn ursprünglich zu diesem Brief veranlassten, weiß ich nicht. Er muss den Verdacht gehabt haben, dass entweder Burrows oder Lake ihn systematisch betrog. Seine Ungewissheit im Hinblick auf Ruths Empfindungen veranlasste ihn, private Nachforschungen anstellen zu lassen. Diese Tatsache nutzten Sie aus; Sie bereiteten alles so vor, dass es wie Selbstmord aussah, und bestärkten diese Vermutung noch durch Ihre Behauptung, Sir Gervase sei wegen irgendeiner Sache, die mit Hugo Trent zu tun habe, sehr besorgt gewesen. Und im Zusammenhang mit meinem Eintreffen berichteten Sie, Sir Gervase habe gesagt, dass ich doch ›zu spät‹ käme.«
    Heftig erwiderte Miss Lingard: »Gervase Chevenix-Gore war ein Tyrann, ein Snob und ein Windbeutel! Ich wollte verhindern, dass er Ruths Glück zerstörte.«
    Behutsam sagte Poirot: »Ruth ist Ihre Tochter?«
    »Ja – sie ist meine Tochter. Ich habe immer an sie denken müssen. Als ich hörte, dass Sir Gervase Chevenix-Gore jemanden suchte, der ihm bei der Abfassung einer Familiengeschichte hülfe, habe ich die Chance sofort ergriffen. Ich wusste, dass Lady Chevenix-Gore mich nicht wiedererkennen würde. Alles lag schon Jahre zurück, und außerdem hatte ich nach der Sache einen anderen Namen angenommen. Sie mag ich gern, aber die Familie Chevenix-Gore hasse ich. Wie Dreck hat man mich hier behandelt. Und dann wollte Gervase mit seinem Hochmut und seiner Angeberei auch noch Ruths Glück zerstören. Aber jetzt wird sie glücklich werden – wenn sie nie etwas über mich erfährt!«
    Es war keine Frage, sondern eine Bitte.
    Poirot nickte leicht.
    »Von mir wird niemand irgendetwas erfahren.«
    Ruhig sagte Miss Lingard: »Vielen Dank.«
    Später, als die Polizei gekommen und wieder verschwunden war, entdeckte Poirot nicht nur Ruth, sondern auch ihren Mann im Garten.
    Herausfordernd sagte sie: »Haben Sie wirklich geglaubt, ich sei es gewesen, Monsieur Poirot?«
    »Ich wusste, Madame, dass Sie es gar nicht gewesen sein konnten – wegen der Herbstastern.«
    »Wegen der Herbstastern? Das verstehe ich nicht.«
    »Madame, auf dem Beet befanden sich vier Fußabdrücke – nur vier Fußabdrücke. Wenn Sie Blumen geschnitten hatten, mussten sich viel mehr dort befinden. Das bedeutete, dass irgendjemand zwischen Ihrem ersten und Ihrem zweiten Aufsuchen des Beetes sämtliche Fußabdrücke beseitigt hatte. Und das wiederum konnte nur die schuldige Person getan haben. Da ihre zweiten Fußabdrücke jedoch noch vorhanden waren, konnten Sie diese schuldige Person nicht sein. Ganz automatisch waren Sie von jedem Verdacht befreit.«
    Ruths Gesicht verlor seine Düsternis.
    »Ach, jetzt verstehe ich. Sie wussten also – wahrscheinlich ist es entsetzlich, aber diese arme Frau tut mir dennoch ziemlich Leid. Schließlich hat sie doch alles gestanden, damit ich nicht verhaftet würde – oder jedenfalls waren das ihre Überlegungen. Und in gewisser Weise war das von ihr sehr – sehr anständig. Ich finde es einfach fürchterlich, wenn ich mir vorstelle, dass sie jetzt wegen Mordes vor Gericht gestellt wird.«
    Behutsam sagte Poirot: »Dazu wird es gar nicht kommen. Der Arzt hat mir erzählt, dass sie ein sehr ernstes Herzleiden habe. Sie wird nur noch wenige Wochen leben.«
    Ruth pflückte einen Herbstkrokus und presste ihn gedankenlos gegen ihr Gesicht.
    »Die arme Frau. Aber interessieren würde mich doch, warum sie es eigentlich getan hat…«

Lasst Blumen sprechen
     
    H ercule Poirot streckte die Füße dem in der Wand eingelassenen elektrischen Heizofen entgegen. Die gleichmäßige Anordnung der rotglühenden Stäbe behagte seinem methodischen Geist.
    Ein Kohlefeuer, dachte er, hatte immer so etwas Formloses und Zufälliges! Nie erreicht es Symmetrie.
    Das Telefon klingelte. Poirot erhob sich und warf dabei einen Blick auf die Uhr. Es war kurz vor halb zwölf. Er fragte sich, wer ihn zu dieser nächtlichen Stunde noch anrief. Vielleicht hatte

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