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Paradies Pollensa

Paradies Pollensa

Titel: Paradies Pollensa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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sich jemand nur verwählt.
    »Es könnte auch ein millionenschwerer Zeitungsverleger sein«, murmelte er mit einem verschmitzten Lächeln, »den man in der Bibliothek seines Landhauses tot aufgefunden hat, mit einer gesprenkelten Orchidee in der linken Hand und einer aus einem Kochbuch gerissenen Seite auf der Brust.«
    Von seinem geistreichen Einfall angetan, nahm er den Hörer ab.
    Sofort meldete sich eine Stimme – eine leise, heisere Frauenstimme, in der so etwas wie ein verzweifeltes Drängen lag.
    »Ist dort Monsieur Hercule Poirot? Ist dort Monsieur Poirot?«
    »Hercule Poirot am Apparat.«
    »Monsieur Poirot – können Sie sofort kommen? Sofort! Ich schwebe in Gefahr – ich weiß es…«
    »Wer sind Sie? Von wo aus sprechen Sie?«, unterbrach sie Poirot schroff.
    Die Stimme wurde schwächer, aber gleichzeitig klang sie noch flehender.
    »Sofort… es geht um Leben und Tod… im Jardin des Cygnes… sofort… der Tisch mit den gelben Iris…«
    Es folgte eine Pause – ein seltsames heftiges Luftholen –, und dann war die Leitung tot.
    Hercule Poirot legte auf. Sein Gesicht verriet Verwirrung. »Etwas ist hier doch sehr merkwürdig!«, murmelte er zwischen den Zähnen.
    Der dicke Luigi eilte ihm am Eingang vom Jardin des Cygnes entgegen.
    »Buona sera, Monsieur Poirot. Sie wünschen einen Tisch?«
    »Nein, nein, mein guter Luigi. Ich suche ein paar Freunde. Ich will mich umsehen – vielleicht sind sie noch gar nicht da. Ah, dieser Tisch dort in der Ecke mit den gelben Iris – eine kleine Frage dazu, wenn es nicht indiskret ist. Auf allen anderen Tischen stehen Tulpen – rosafarbene Tulpen. Warum habt ihr gerade auf diesem Tisch gelbe Iris?«
    Luigi zuckte mit seinen ausladenden Schultern.
    »Ein Befehl, Monsieur! Ein besonderer Auftrag! Zweifellos die Lieblingsblumen einer der Damen. Dieser Tisch ist der von Mr Russell, Mr Barton Russell, einem Amerikaner – ungeheuer reich.«
    »Aha, man muss die Launen der Damen kennen, was, Luigi?«
    »Monsieur sagen es.«
    »Ich sehe an dem Tisch einen Bekannten. Ich werde mal hingehen und mich mit ihm unterhalten.«
    Poirot bahnte sich vorsichtig seinen Weg entlang der Tanzfläche, auf der sich Paare drehten. Der besagte Tisch war für sechs Personen gedeckt, aber im Augenblick saß nur ein junger, Champagner trinkender Mann dort, der pessimistischen Gedanken nachzuhängen schien.
    Er war ganz und gar nicht die Person, die Poirot hier anzutreffen erwartet hatte. Wie ließ sich der Gedanke an Gefahr oder Melodrama mit einer Gesellschaft in Verbindung bringen, bei der Tony Chapell mit von der Partie war?
    Poirot blieb wie beiläufig am Tisch stehen.
    »Ah, ist das nicht – ja, ist das nicht mein Freund Anthony Chapell?«
    »Meine Güte, was für eine Überraschung – Poirot, der Polizeihund!«, rief der junge Mann. »Übrigens nicht Anthony, mein Lieber, für Freunde bin ich Tony!«
    Er zog einen Stuhl heran.
    »Kommen Sie, setzen Sie sich zu mir. Unterhalten wir uns über das Verbrechen! Ja, gehen wir noch einen Schritt weiter, und trinken wir auf das Verbrechen.« Er goss Champagner in eines der noch unbenutzten Gläser. »Was führt Sie denn in diesen Tempel des Gesanges, des Tanzes und Vergnügens, mein lieber Poirot? Wir können Ihnen hier keine Leichen bieten, nicht einmal eine Einzige!«
    Poirot nippte an seinem Champagner.
    »Sie scheinen ja sehr fröhlich zu sein, mon cher!«
    »Fröhlich? Ich bin erfüllt von Kummer – schwelge in Trübsinn. Hören Sie die Melodie, die gerade gespielt wird? Kennen Sie sie?«
    Poirot tastete sich behutsam vor. »Hat es vielleicht etwas mit Ihrem Schatz zu tun, der Sie verlassen hat?«
    »Nicht schlecht geraten«, sagte der junge Mann, »aber in diesem Fall falsch. ›Nichts macht einen so traurig wie die Liebe.‹ So heißt der Schlager.«
    »Aha?«
    »Meine Lieblingsmelodie«, ergänzte Tony Chapell düster. »Und mein Lieblingsrestaurant und meine Lieblingsband – und mein Lieblingsmädchen ist hier und tanzt mit einem andern.«
    »Deshalb also diese Melancholie?« fragte Poirot.
    »Genau. Pauline und ich, verstehen Sie, wir hatten, wie man so schön sagt, einen Wortwechsel. Was heißt, dass sie von hundert Worten fünfundneunzig anbrachte und ich fünf. Meine fünf waren: ›Liebling – ich kann es erklären‹. Darauf fing sie wieder mit ihren fünfundneunzig an, und wir kamen nicht weiter. Ich denke«, fügte Tony betrübt hinzu, »ich sollte mich vergiften.«
    »Pauline?« murmelte Poirot.
    »Pauline Weatherby.

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