Paradies Pollensa
sagte leise etwas zu Roland, der hinüber zu Dr. Horton ging und ihm einen Kuchen mit Zuckerguss anbot.
Mr Sattersway beobachtete Beryl. Er musste sie beobachten. Den Schwung ihres Ärmels, als sie am Tisch vorbeikam. Er sah, wie eine rote Tasse heruntergefegt wurde. Sie zerbrach am gußeisernen Fuß eines Stuhles. Beryl stieß einen leisen Schrei aus, bückte sich und hob die Scherben auf. Dann ging sie zum Teetablett, kam zurück und stellte eine blassblaue Tasse mit Untertasse auf den Tisch. Danach legte sie die Meerschaumpfeife wieder zurecht, indem sie sie an die Tasse lehnte. Zum Schluss holte sie die Teekanne, goss Tee ein und entfernte sich wieder.
Am Tisch befand sich jetzt niemand mehr. Inez war auch aufgestanden und zu ihrem Großvater gegangen, um sich mit ihm zu unterhalten. »Ich verstehe das alles nicht«, sagte Mr Sattersway. »Irgendetwas wird passieren. Aber was?« Ein Tisch mit verschiedenfarbenen Tassen und – ja, Timothy, dessen rotes Haar in der Sonne leuchtete. Rotes Haar mit dem gleichen Ton, mit den gleichen hübschen seitlichen Wellen, wie sie Simon Gilliatts Haar immer gehabt hatte. Timothy, der zurückkam, einen Moment stutzte, leicht verwundert auf den Tisch blickte und dann dorthin ging, wo die Meerschaumpfeife an der blassblauen Tasse lehnte.
Inez kam zurück. Sie lachte plötzlich und sagte: »Timothy, du trinkst deinen Tee aus der falschen Tasse. Die blaue gehört mir. Deine ist die rote.«
Und Timothy entgegnete: »Sei nicht albern, Inez, ich kenne doch meine eigene Tasse. Da ist Zucker drin, und du magst keinen. Natürlich ist das meine Tasse. Da liegt ja auch die Meerschaumpfeife.«
Mr Sattersway war wie vom Schlag getroffen. War er wahnsinnig? Bildete er sich etwas ein? War dies alles überhaupt real? Er sprang auf, lief schnell zum Tisch hinüber, und als Timothy die blaue Tasse an den Mund führte, rief er: »Nicht trinken, um Gottes willen, nicht trinken!«
Timothy machte ein erstauntes Gesicht. Mr Sattersway wandte den Kopf. Dr. Horton sprang ziemlich überrascht auf und kam näher. »Was gibt es, Sattersway?«
»Die Tasse. Irgendetwas stimmt nicht mit ihr«, sagte Mr Sattersway. »Lassen Sie den Jungen nicht daraus trinken!«
Horton starrte die Tasse an. »Mein lieber Freund…«
»Ich weiß, was ich sage. Er hatte die rote Tasse«, erklärte Mr Sattersway, »und die rote Tasse ist zerbrochen. Sie wurde durch eine blaue ersetzt. Er kann Rot von Blau nicht unterscheiden, nicht wahr?«
Dr. Horton blickte verwundert. »Meinen Sie… meinen Sie… genau wie Tom?«
»Tom Addison. Er ist farbenblind. Das wissen Sie doch, nicht wahr?«
»O ja, natürlich. Das wissen wir alle. Deswegen hat er heute ja auch wieder zweierlei Schuhe an. Er konnte nie Rot von Grün unterscheiden.«
»Der Junge schlägt ihm nach.«
»Aber… aber gewiss nicht. Jedenfalls hat es nie ein Anzeichen dafür gegeben – bei Roland.«
»Es könnte trotzdem sein, nicht wahr?«, sagte Mr Sattersway. »Habe ich Recht – Daltonismus. So wird es doch genannt?«
»Ja, das ist die medizinische Bezeichnung.«
»Er tritt bei weiblichen Nachkommen nicht auf, wird aber durch sie weitergegeben. Lily war nicht farbenblind, aber Lilys Sohn könnte es sehr gut sein.«
»Aber, mein lieber Sattersway, Timothy ist nicht Lilys Sohn! Lilys Sohn ist Roly. Ich weiß, dass sie sich sehr ähneln – gleiches Alter, gleiche Haarfarbe und so weiter – aber… nun, vielleicht erinnern Sie sich nicht mehr.«
»Nein«, sagte Mr Sattersway, »ich hätte mich nicht erinnern sollen. Aber nun weiß ich es. Ich sehe die Ähnlichkeit auch. Roland ist Beryls Sohn! Sie waren doch beide noch Babys, als Simon wieder heiratete. Für eine Frau, die zwei Babys versorgt, ist das ganz einfach, besonders, wenn sie beide rote Haare haben. Timothy ist Lilys Sohn, und Roland ist Beryls Sohn, der Sohn von Beryl und Christopher Eden. Deswegen gibt es auch keinen Grund, warum er farbenblind sein sollte. Ich weiß das ganz genau. Glauben Sie mir, ich weiß es!«
Er sah, wie Dr. Hortons Blick vom einem zum anderen wanderte. Timothy, der ihr Gespräch nicht mitbekommen hatte, stand noch immer da mit der blauen Tasse in der Hand und blickte verwundert.
»Ich sah, wie sie sie kaufte«, sagte Mr Sattersway. »Hören Sie auf mich, Mann! Sie müssen auf mich hören! Sie kennen mich seit vielen Jahren. Sie wissen, dass ich keinen Fehler mache, wenn ich etwas so bestimmt sage.«
»Das stimmt. Ich habe Sie noch nie einen Fehler machen
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