Paradies Pollensa
Dummkopf ich doch bin! Natürlich weiß ich, was das Wort bedeutet. Warum bin ich nur nicht gleich darauf gekommen?
»Hab schon geglaubt, du würdest niemals hier aufkreuzen, alter Schurke«, sagte Tom Addison. Er war noch immer ein ansehnlicher alter Mann, mit tief liegenden, zwinkernden grünen Augen in dem breiten Gesicht. Seine Schultern waren ungebeugt und ließen ihn kräftig aussehen. Jeder Zug seines Gesichtes strahlte gutmütigen Humor und große Wiedersehensfreude aus. Er wird sich nie ändern, dachte Mr Sattersway.
»Kann nicht aufstehen, um dich zu begrüßen«, erklärte Tom Addison. »Brauche zwei kräftige Männer und einen Stock, um auf die Füße zu kommen. Also, kennst du unseren kleinen Haufen hier oder nicht? Simon kennst du natürlich.«
»Natürlich kenne ich ihn. Es ist zwar einige Jahre her, seit ich Sie das letzte Mal traf, aber Sie haben sich nicht sehr verändert.«
Major Simon Gilliatt war ein schlanker, gut aussehender Mann mit einem buschigen roten Haarschopf. »Schade, dass Sie uns nie besucht haben, als wir noch in Kenia lebten«, sagte er. »Es hätte Ihnen gewiss Spaß gemacht. Viele sehenswerte Dinge, die wir Ihnen hätten zeigen können. Na ja, man weiß vorher nie, was einem die Zukunft bringt. Ich hatte angenommen, ich würde dort einmal begraben werden.«
»Wir haben auch hier einen sehr schönen Friedhof«, sagte Tom Addison. »Niemand hat bisher versucht, unsere Kirche durch Restaurierung zu verschandeln, und viele Neuansiedlungen gibt es ringsherum auch nicht, so dass der Platz auf dem Friedhof noch immer ausreicht. Gott sei Dank hatten wir keine von diesen schrecklichen Friedhofserweiterungen nötig.«
»Was für ein düsteres Gesprächsthema ihr habt«, warf Beryl Gilliatt lächelnd ein. »Das hier sind unsere Söhne«, sagte sie, »aber die kennen Sie ja bereits, nicht war, Mr Sattersway?«
»Ich glaube nicht, dass ich sie wiedererkannt hätte«, erwiderte Mr Sattersway.
In der Tat, das letzte Mal, dass er die zwei Jungen gesehen hatte, war an jenem Tag gewesen, als er sie von der Grundschule abgeholt hatte. Obwohl sie nicht miteinander verwandt waren – sie hatten ja verschiedene Väter und Mütter –, konnte man sie sehr gut für Brüder halten, und das geschah auch oft. Sie waren fast gleich groß und beide rothaarig. Roland hatte seinen Rotschopf vermutlich von seinem Vater geerbt, Timothy von seiner kastanienbraunen Mutter. Sie schienen einander auch brüderlich verbunden zu sein.
Und doch, dachte Mr Sattersway, waren sie sehr verschieden. Der Unterschied trat nun, wo sie, wie er schätzte, zwischen zweiundzwanzig und fünfundzwanzig Jahre alt waren, deutlicher hervor. Er konnte keine Ähnlichkeit zwischen Roland und seinem Großvater entdecken, auch nicht mit seinem Vater, abgesehen von den roten Haaren.
Mr Sattersway hatte sich manchmal gefragt, ob der Junge wohl seiner verstorbenen Mutter Lily ähnlich sehen würde. Aber dies war auch nicht der Fall. Wenn überhaupt, dann sah eher noch Timothy wie ein Sohn von Lily aus, mit seiner hellen Haut, der hohen Stirn und dem feinen Knochenbau.
Neben ihm erklang jetzt eine weiche, dunkle Stimme: »Ich bin Inez. Ich weiß nicht, ob Sie sich noch an mich erinnern können. Es ist ja schon ziemlich lange her, dass wir uns zuletzt gesehen haben.«
Ein schönes Mädchen, dachte Mr Sattersway sofort. Ein dunkler Typ. Er ging weit in seiner Erinnerung zurück, bis zu dem Tag, an dem er Trauzeuge bei Tom Addisons Hochzeit mit Pilar gewesen war. Die stolze Haltung ihres Kopfes und ihre dunkle aristokratische Schönheit konnten das spanische Blut in Inez nicht verleugnen.
Ihr Vater, Dr. Horton, stand gleich hinter ihr. Er sah sehr viel älter aus als das letzte Mal, als Mr Sattersway ihn gesehen hatte. Ein netter, freundlicher Mann. Ein guter praktizierender Arzt, bescheiden und verlässlich und seiner Tochter offensichtlich von Herzen zugetan. Er war unverkennbar sehr stolz auf sie.
Mr Sattersway fühlte, wie ihn eine Welle tiefer Freude, erfasste. Alle diese Leute erschienen ihm wie gute alte Freunde, obwohl ihm einige noch fremd waren. Das schöne, schwarzhaarige Mädchen, die beiden rothaarigen jungen Männer und auch Beryl Gilliatt, die mit dem Teetablett herumwirtschaftete, die Tassen und Untertassen zurechtstellte und dann einem Mädchen einen Wink gab, die Kuchen und Platten mit belegten Broten aus dem Haus zu holen.
Eine großartige Teestunde! Man rückte die Stühle näher an die Tische heran, so dass man
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