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Paradies Pollensa

Paradies Pollensa

Titel: Paradies Pollensa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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zwanzig nach sechs bis sieben Uhr im Dienerzimmer aufgehalten.«
    »Dann ist er raus aus der Sache«, sagte der Polizeichef mit einer Spur von Bedauern in der Stimme. »Abgesehen davon hat er kein Motiv.«
    In diesem Moment klopfte es an der Tür. Der Oberst sagte: »Herein!« und es erschien ein angstvoll blickendes Mädchen, gekleidet wie eine Zofe.
    »Wenn Sie erlauben, meine Herren. Lady Dwighton hat gehört, dass Oberst Melrose im Haus ist, und möchte ihn gerne sprechen.«
    »Aber gerne«, sagte Melrose. »Ich komme sofort. Bitte zeigen Sie mir den Weg.«
    Doch eine Hand stieß das Mädchen beiseite. In der Tür stand nun eine sehr ungewöhnliche Gestalt. Laura Dwighton wirkte wie eine Besucherin aus einer anderen Welt.
    Sie trug ein eng anliegendes altmodisches Nachmittagskleid aus dunkelblauem Brokat. Ihr kastanienbraunes Haar war in der Mitte gescheitelt und fiel über die Ohren. Lady Dwighton war sich ihres extravaganten Stils bewusst und hatte sich nie das Haar schneiden lassen. Es war zu einem einfachen Knoten im Nacken geschlungen. Ihre Arme waren unbedeckt.
    Wie sie dort stand, sich mit einer Hand am Türrahmen stützte und mit der anderen ein Buch umklammerte, dachte Mr Sattersway: Sie sieht aus wie eine Madonna auf einem alten italienischen Gemälde.
    Plötzlich begann sie leicht zu schwanken. Oberst Melrose stürzte auf sie zu.
    »Ich bin gekommen, Ihnen zu sagen… Ihnen zu sagen…« Ihre Stimme klang dunkel und melodisch. Mr Sattersway war von der Dramatik der Szene so gefangen, dass sie ihm völlig irreal erschien. Wie auf der Bühne, dachte er.
    »Bitte, Lady Dwighton…« Melrose hatte stützend einen Arm um sie gelegt und geleitete sie durch die Halle in ein kleines Nebenzimmer, dessen Wände mit vergilbten Seidentapeten bedeckt waren. Quin und Sattersway und der Inspektor folgten. Sie sank auf ein niedriges Sofa und stützte ihren Kopf auf ein rostfarbenes Kissen, die Augen geschlossen. Die vier Männer beobachteten sie. Unvermittelt schlug sie die Augen auf und setzte sich aufrecht hin. Sie sprach sehr gefasst.
    »Ich habe ihn getötet«, sagte sie. »Das ist es, was ich Ihnen sagen wollte. Ich habe ihn getötet.«
    Einen Augenblick herrschte entsetztes Schweigen im Zimmer. Mr Sattersways Herz setzte einen Schlag lang aus.
    »Lady Dwighton«, sagte Melrose dann, »Sie haben einen Schock erlitten, Sie sind äußerst aufgeregt – ich glaube nicht, dass Sie wissen, was Sie sagen.«
    Würde sie ihre Aussage zurücknehmen, jetzt, wo es noch möglich war?
    »Ich weiß genau, was ich sage. Ich habe ihn erschossen.« Drei der Männer in dem Zimmer atmeten mühsam, der Vierte gab keinen Ton von sich. Lady Dwighton beugte sich weiter nach vorn. »Haben Sie mich nicht verstanden? Ich kam nach unten und erschoss ihn. Ich gestehe es.«
    Das Buch, das sie in der Hand gehalten hatte, fiel zu Boden. In ihm steckte ein Brieföffner; er hatte die Form eines Dolches mit einem edelsteinbesetzten Griff. Mr Sattersway bückte sich gewohnheitsmäßig, hob ihn auf und legte ihn auf den Tisch. Dabei dachte er: Was für ein gefährliches Spielzeug! Damit könnte man einen Menschen umbringen. »Also«, fragte Laura Dwighton ungeduldig, »was werden Sie jetzt tun? Mich festnehmen?«
    Oberst Melrose fand mit Mühe die Sprache wieder.
    »Was Sie mir gesagt haben, ist sehr schwerwiegend, Lady Dwighton. Ich muss Sie auffordern, sich auf Ihre Zimmer zu begeben, bis ich… eh… die nötigen Dinge veranlasst habe.«
    Laura Dwighton nickte und stand auf. Sie wirkte jetzt sehr gefasst, ernst und kalt. Während sie sich zur Tür wandte, fragte Mr Quin: »Was haben Sie mit dem Revolver gemacht, Lady Dwighton?«
    Unsicher antwortete sie: »Ich… ich habe ihn zu Boden fallen lassen. Nein, ich glaube, ich warf ihn aus dem Fenster – ach, ich kann mich nicht mehr erinnern. Was spielt das auch für eine Rolle? Ich wusste kaum, was ich tat. Aber das spielt doch jetzt keine Rolle mehr, nicht wahr?«
    »Nein«, sagte Mr Quin, »ich glaube kaum, dass es noch eine Rolle spielt.«
    Sie sah ihn verwirrt an und schien beunruhigt zu sein. Dann warf sie den Kopf in den Nacken und verließ hoheitsvoll das Zimmer.
    Mr Sattersway eilte ihr nach, weil er fürchtete, sie könne jeden Augenblick zusammenbrechen. Aber sie war schon halb die Treppe hinaufgegangen, ohne Anzeichen ihrer vorherigen Schwäche. Am Fuß der Treppe stand die angstvoll blickende Zofe. Gebieterisch befahl Mr Sattersway ihr, sich um ihre Herrin zu kümmern.
    »Sehr wohl,

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