Paradies Pollensa
Sir.« Das Mädchen schickte sich an, der blaugewandeten Gestalt zu folgen. »Ach, bitte, Sir, Sie verdächtigen ihn doch nicht, nicht wahr?«
»Verdächtigen? Wen?«
»Jennings, Sir. Oh, Sir, er könnte keiner Fliege etwas zuleide tun.«
»Jennings? Natürlich nicht. Gehen Sie, und kümmern Sie sich um Ihre Herrin!«
»Sehr wohl, Sir.« Das Mädchen eilte die Treppe hinauf. Mr Sattersway kehrte in das Zimmer zurück, das er gerade verlassen hatte.
Oberst Melrose erklärte gerade heftig: »Also, ich bin sprachlos. Da steckt mehr dahinter, als es den Anschein hat. Die Geschichte… sie ähnelt den albernen Dummheiten, die Heldinnen in Romanen begehen.«
»Es wirkte unwirklich«, stimmte Mr Sattersway zu. »Wie in einem Theaterstück.«
Mr Quin nickte. »Ja, Sie lieben das Theater, nicht wahr? Sie sind ein Mann, der die Schauspielkunst zu würdigen weiß.«
Mr Sattersway sah ihn unsicher an.
In der Stille, die folgte, war ein entferntes Geräusch zu hören. »Das klang wie ein Schuss«, sagte Oberst Melrose. »Wahrscheinlich von einem der Jagdhüter. Vermutlich hörte sie einen Schuss. Vielleicht ging sie dann hinunter, um nachzusehen. Sie wagte sich nicht nahe genug an den Toten heran, um ihn zu untersuchen. Das verleitete sie dann zu der Schlussfolgerung…«
»Mr Delangua, Sir.« Der alte Butler stand mit entschuldigender Geste im Türrahmen.
»Wie?« fragte Melrose. »Was war das?«
»Mr Delangua ist hier, Sir, und würde Sie nach Möglichkeit gern sprechen.«
Oberst Melrose lehnte sich im Sessel zurück und sagte grimmig: »Führen Sie ihn herein.«
Einen Moment später stand Paul Delangua vor ihnen. Wie Oberst Melrose angedeutet hatte, war etwas Unenglisches an ihm: die unbeschwerte Anmut seiner Bewegungen, das dunkle, hübsche Gesicht mit den etwas zu nahe beieinander stehenden Augen. Auch bei ihm erinnerte irgendetwas an die Renaissance. Er und Laura Dwighton verbreiteten die gleiche Atmosphäre um sich. »Guten Abend, Gentlemen«, sagte Delangua mit einer kleinen affektierten Verbeugung.
»Ich kenne Ihr Anliegen nicht, Mr Delangua«, sagte Oberst Melrose schneidend, »aber wenn es nichts mit dem Mord zu tun hat…«
Delangua unterbrach ihn mit einem Lachen. »Im Gegenteil«, sagte er, »es hat damit zu tun.«
»Was wollen Sie damit sagen?«
»Ich will damit sagen«, erwiderte Delangua ruhig, »dass ich gekommen bin, um mich wegen des Mordes an Sir James Dwighton zu stellen.«
»Sind Sie sich bewusst, was Sie da sagen?«, fragte Melrose eindringlich.
»Absolut.«
Der Blick des jungen Mannes war auf den Tisch geheftet.
»Ich verstehe nicht…«
»… warum ich mich selbst stelle? Nennen Sie es Gewissensbisse, nennen Sie es, wie Sie wollen. Aber ich habe ihn erstochen, dessen können Sie sicher sein.« Er deutete auf den Tisch. »Wie ich sehe, haben Sie dort die Tatwaffe. Ein sehr praktisches Mordinstrument. Lady Dwighton ließ es unglücklicherweise in einem Buch herumliegen, und so konnte ich es an mich bringen.«
»Einen Moment«, sagte Oberst Melrose. »Soll ich das so verstehen, dass Sie zugeben, Sir James hiermit erstochen zu haben?« Er hielt den Dolch in die Höhe.
»Genau so. Ich habe mich durch die Flügeltür hineingeschlichen, müssen Sie wissen. Er wandte mir den Rücken zu. Es war ganz einfach. Auf demselben Weg verschwand ich wieder.«
»Durch die Flügeltür?«
»Natürlich durch die Flügeltür.«
»Und um welche Uhrzeit war das?«
Delangua zögerte. »Lassen Sie mich überlegen… Ich unterhielt mich mit dem Jagdhüter – das war um Viertel nach sechs. Ich hörte währenddessen nämlich die Kirchturmuhr schlagen. Es muss also – ja, so gegen halb sieben gewesen sein.«
Die Lippen des Polizeichefs umspielte ein grimmiges Lächeln. »Ganz recht, junger Mann«, sagte er. »Halb sieben war die Tatzeit. Vielleicht hatten Sie das bereits gehört? Alles in allem ist dies ja ein ganz besonderer Mord.«
»Warum?«
»Weil so viele Leute ihn gestehen«, sagte Oberst Melrose.
Man hörte, wie Delangua scharf die Luft einzog. »Wer hat ihn noch gestanden?«, fragte er mit einer Stimme, die er vergeblich unter Kontrolle zu bringen trachtete.
»Lady Dwighton.«
Delangua warf den Kopf zurück und stieß ein spürbar gezwungenes Lachen aus. »Lady Dwighton hat eine Neigung zur Hysterie«, sagte er obenhin. »Wenn ich Sie wäre, würde ich dem, was sie sagt, keine Beachtung schenken.«
»Ich glaube auch nicht, dass ich das sollte«, erwiderte Melrose. »Aber es gibt noch eine
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