Paradies Pollensa
andere merkwürdige Tatsache im Zusammenhang mit diesem Mord.«
»Und die wäre?«
»Nun, Lady Dwighton gestand, Sir James erschossen zu haben. Sie wollen ihn erstochen haben. Zum Glück für Sie beide wurde er weder erschossen noch erstochen. Ihm wurde der Schädel eingeschlagen.«
»Mein Gott!« rief Delangua aus. »Aber so etwas könnte eine Frau doch niemals…«
Er hielt inne, biss sich auf die Lippe. Melrose nickte mit dem Anflug eines Lächelns.
»Ich habe so etwas oft gelesen«, bemerkte er ironisch, »aber noch niemals selbst erlebt.«
»Was?«
»Dass zwei junge Wirrköpfe sich selbst des Mordes beschuldigen, weil sie annehmen, dass der andere ihn verübt hat«, sagte Melrose. »Nun müssen wir noch einmal von vorne anfangen.«
»Der Kammerdiener«, rief Mr Sattersway. »Die Zofe vorhin – ich habe ihr zu diesem Zeitpunkt keine Beachtung geschenkt.« Er machte eine Pause und dachte angestrengt über die Zusammenhänge nach. »Sie hatte Angst, dass wir ihn verdächtigen würden. Er muss ein Motiv haben, das uns nicht bekannt ist, aber ihr.«
Oberst Melrose runzelte die Stirn, dann läutete er nach dem Butler. Als sich dieser meldete, bat er: »Fragen Sie Lady Dwighton, ob sie die Güte hat, noch einmal herunterzukommen.«
Die Männer warteten schweigend auf ihr Erscheinen.
Als sie Delangua sah, erschrak sie heftig und musste sich stützen. Sie konnte sich kaum aufrecht halten. Oberst Melrose kam ihr rasch zur Hilfe.
»Es ist alles in Ordnung, Lady Dwighton. Bitte regen Sie sich nicht auf.«
»Ich verstehe nicht, was Mr Delangua hier macht.«
Delangua ging auf sie zu. »Laura, Laura, warum haben Sie das getan?«
»Was getan?«
»Ich weiß, warum. Sie haben es für mich getan, weil Sie dachten, dass ich… Natürlich war das nahe liegend. Aber… Oh, Sie sind ein Engel!«
Oberst Melrose räusperte sich. Er war ein Mann, der Emotionen verabscheute und einen Horror vor Dingen hatte, die nach einer »Szene« aussahen.
»Wenn ich mir erlauben darf, das zu sagen, Lady Dwighton, so sind Sie beide noch einmal knapp davongekommen. Auch Mr Delangua hat ein ›Geständnis‹ abgelegt. O nein, ich weiß, dass er es nicht war. Aber was wir wissen wollen, ist die Wahrheit. Bitte, jetzt keine Ausflüchte mehr. Der Butler hat ausgesagt, dass Sie um halb sieben in die Bibliothek gingen. Stimmt das?«
Laura sah Delangua an. Er nickte. »Die Wahrheit, Laura«, sagte er. »Wir müssen sie erfahren.«
Laura stieß einen tiefen Seufzer aus. »Ich werde sie Ihnen sagen.« Sie sank in einen Sessel, den Mr Sattersway schnell zurechtgerückt hatte.
»Ich kam herunter, öffnete die Tür zur Bibliothek und sah…«
Sie hielt inne und schluckte. Mr Sattersway beugte sich zu ihr hinüber und tätschelte ihr aufmunternd die Hand. »Ja«, sagte er, »ja, Sie sahen?«
»Mein Mann lag quer über dem Schreibtisch. Ich sah seinen Kopf… das Blut… oh!«
Sie schlug die Hände vors Gesicht. Der Polizeichef beugte sich vor. »Entschuldigen Sie, Lady Dwighton. Sie nahmen an, Mr Delangua hätte ihn erschossen?«
Sie nickte. »Verzeihen Sie, Paul«, bat sie, »aber Sie sagten… Sie sagten…«
»… dass ich ihn wie einen räudigen Hund niederschießen würde«, sagte Delangua heftig. »Ich erinnere mich genau. Das war an dem Tag, als ich entdeckte, dass er Sie schlecht behandelte.«
Doch Melrose ließ sich den Faden nicht mehr aus der Hand nehmen. »Dann muss ich also annehmen, Lady Dwighton, dass Sie wieder nach oben gingen, ohne – äh – etwas zu sagen. Ihre Gründe müssen wir jetzt nicht diskutieren. Jedenfalls haben Sie weder den Toten angerührt, noch sind Sie in die Nähe des Schreibtisches gekommen?«
Sie schauderte. »Nein, nein, ich habe das Zimmer sofort wieder verlassen.«
»Ich verstehe. Und um welche Uhrzeit war das genau? Können Sie sich noch daran erinnern?«
»Es war gerade halb sieben, als ich in mein Schlafzimmer zurückkam.«
»Dann war Sir James um, sagen wir, fünf Minuten vor halb sieben bereits tot.« Melrose sah die anderen an. »Das mit der Uhr, das war vorgetäuscht, nicht wahr? Das haben wir sofort vermutet. Nichts ist einfacher, als die Zeiger auf jeden gewünschten Zeitpunkt zu verstellen. Allerdings wurde der Fehler gemacht, die Uhr auf die Seite zu legen. Das engt den Verdacht auf den Butler oder Kammerdiener ein, aber ich kann nicht glauben, dass der Butler der Mörder ist. Sagen Sie, Lady Dwighton, hegte Jennings irgendeinen Groll gegen Ihren Gatten?«
Laura blickte auf.
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