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Paradies

Paradies

Titel: Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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verrückt, wenn jemand versucht einzubrechen. Die Zahl der Diebstähle und Einbrüche ist deutlich zurückgegangen, seit es die Hunde gibt, obwohl sie ja keine brauchbaren Augenzeugen sind. Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, ob jemand die Schüsse gehört hat. Der Wind blies immerhin mit Orkanstärke.«
    Sie tauschten noch ihre Visitenkarten und ein paar Höflichkeitsfloskeln aus, dann ging Annika mit schnellen Schritten zur Bushaltestelle neben dem Schild Tallinn, Klaipeda, Riga, Sankt Petersburg. Sie fror so sehr, dass sie mit den Zähnen klapperte. Die Einsamkeit schloss sich um sie, schwer und feucht. Sie blieb im Unterstand der Bushaltestelle stehen, eine graue Gestalt, die vor dem grauen Hintergrund verschwand. Es war noch zu früh, um zur Zeitung, aber auch zu spät, um noch mal nach Hause zu fahren, und alles zu leer, um denken zu können.
    Als plötzlich hinter einem Verwaltungsgebäude ein Bus der Linie 76 auftauchte, folgte sie einem spontanen Impuls. Statt mit der Linie 41 nach Kungsholmen zurückzufahren, fuhr sie nach Gamla Stan, stieg am Schloss aus und ging durch das Gassengewirr zum Tyska Brinken. Es hatte aufgehört zu regnen, und der Wind war abgeflaut. Die Zeit stand still zwischen den Steinhäusern, der Verkehrslärm von der Skeppsbron verklang, ihre Schritte hallten auf dem mit Eis überzogenen Kopfsteinpflaster. Es wurde schnell dunkler, und die Farben wurden im gelben Goldschein der schmiedeeisernen Laternen verzerrt und zu Flecken im knappen Zirkel des Lichts reduziert. Schwarze Schmiedearbeiten. Roter Ocker. Glänzende, mundgeblasene Fensterscheiben in kleinen Rahmen. Gamla Stan war eine andere Welt, eine andere Zeit, ein Echo aus der Vergangenheit. Natürlich war es Anne Snapphane gelungen, an eine Dachwohnung neben der Deutschen Kirche zu kommen. Zwar nur als Untermieterin, aber immerhin.
    Sie war zu Hause und kochte gerade Nudeln.
    »Stell eine Schüssel auf den Tisch. Die reichen auch noch für dich«, sagte sie, nachdem sie Annika hereingelassen und die Tür hinter ihr geschlossen hatte. »Was verschafft mir die Ehre?«
    »Ich war ein bisschen unterwegs und komme direkt aus dem Freihafen.«
    Annika ließ sich auf einen Stuhl unter der Dachschräge in der kleinen Küche fallen, atmete die Wärme und die Dämpfe vom Nudeltopf ein. Die Sinnlosigkeit verblasste, ihre Leere füllte sich mit Anne Snapphanes lauter und leiser werdenden Geplapper.
    Annika antwortete nur einsilbig.
    Sie saßen sich gegenüber, mischten Butter, Käse und Sojasauce unter die Tagliatelle. Der Käse schmolz und bildete zähe Tentakeln zwischen den Nudeln. Annika drehte ihre Gabel in dem Gewirr und sah zum Fenster hinaus. Dächer, Schornsteine und Terrassen zeichneten sich vor dem tiefblauen Winterhimmel als schwarze Konturen ab. Plötzlich merkte sie, wie hungrig sie war, und sie aß, bis ihr die Luft wegblieb, und trank ein großes Bierglas voll Cola.
    »War da nicht heute Morgen ein Mord im Freihafen?«, fragte Anne, schob sich den letzten Bissen in den Mund und füllte den Wasserkocher.
    »Zwei, gestern Morgen«, antwortete Annika und stellte ihren Teller in die Spülmaschine.
    »Das ist ja toll«, meinte Anne, »seit wann arbeitest du wieder als Reporterin?«
    Sie goss das Wasser in die Bodum-Kanne.
    »Keine voreiligen Schlüsse, bitte. Ich liege auf Eis, und das ist dicker, als man denkt«, erwiderte Annika und ging zu den Dachbalken im Wohnzimmer.
    Anne Snapphane folgte ihr mit einem Tablett, auf dem zwei Tassen, die Kaffeekanne und eine Tüte Gummibärchen waren.
    »Aber du darfst wieder schreiben? Ich meine, als Reporterin?«
    Sie setzten sich auf das Sofa. Annika schluckte.
    »Überhaupt nicht. Ich habe es nur nicht mehr zu Hause ausgehalten. Ein Doppelmord ist immerhin ein Doppelmord.«
    Anne verzog das Gesicht zu einer Grimasse, blies auf das heiße Getränk, schlürfte.
    »Dass du das aushältst«, sagte sie. »Ich dagegen weiß alles über weibliche Beziehungen, Mode und Essstörungen.«
    Annika lächelte.
    »Wie läuft’s denn?«
    »Der Programmdirektor findet, dass
Die Frauencouch
ein großartiger Erfolg ist. Mir persönlich fällt es schwer, seinen Enthusiasmus zu teilen. Die gesamte Redaktion arbeitet sich fast zu Tode, alle hassen die Moderatorin, und der Regisseur hat ein Verhältnis mit der Projektleiterin.«
    »Wie hoch sind eure Einschaltquoten? Eine Million?«
    Anne Snapphane blickte Annika traurig an.
    »Aber meine Liebe«, sagte sie. »Wir reden hier über das Satellitenuniversum.

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