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Paradies

Paradies

Titel: Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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Annika zuckte zusammen.
    Der alte Mann konnte sich vor Erschöpfung kaum mehr auf den Beinen halten. Er zitterte am ganzen Körper, seine Nase lief.
    »Hui, das ist ganz schön weit«, sagte Annika. »Haben Sie keine müden Beine?«
    »Nicht die Bohne«, sagte der alte Mann, und die Tränen begannen zu laufen. »Ich könnte noch einmal so weit fahren.«
    Es wurde grün. Als Annika losging, folgte der alte Mann ihr. Er stolperte ihr, über das Fahrrad gebeugt, nach. Annika wartete auf ihn.
    »Wohin wollen Sie jetzt?«, fragte sie.
    »Zum Zug«, flüsterte er. »Zum Zug nach Hause.«
    Sie half ihm über den Tegelbacken bis zum Hauptbahnhof. Der alte Mann hatte keinen Pfennig Geld bei sich. Annika bezahlte seine Fahrkarte.
    »Gibt es jemanden, der sich um Sie kümmert, wenn Sie nach Hause kommen?«, erkundigte sie sich.
    Der Mann schüttelte heftig den Kopf, die Rotze flog.
    »Ich bin gerade aus dem Krankenhaus entlassen worden«, sagte er.
    Als sie ihn verließ, saß er auf einer Bank am Hauptbahnhof, den Kopf auf der Brust, das Fahrrad an seine Beine gelehnt.
    Das Bild war groß und nahm die ganze Mitte der Titelseite der Zeitung ein. Die Grundfarbe war goldgelb, glänzend, die Motive scharf und deutlich erkennbar. Die Polizisten in ihren schweren Lederjacken, schwarz im Profil, das leuchtende Weiß der Krankenwagen, ernste Männer in Graublau mit kleinen Werkzeugen in den Händen, das Gerümpel, die Treppe, der gynäkologische Behandlungsstuhl.
    Und dann die leblosen, zusammengesunkenen und schwarzen Pakete, die so groß waren, als sie noch lebten, so viel Platz einnahmen. Wie klein sie nun aussahen auf der Erde, leicht zu beseitigender Abfall.
    Sie hustete, zitterte. Das Fieber war im Laufe des Tages gestiegen.
    Das Antibiotikum schien nicht zu helfen. Die Wunde an der Stirn schmerzte.
    Ich muss mich ausruhen, dachte sie. Ich muss schlafen.
    Sie ließ die Zeitung sinken, lehnte sich mit dem Kopf an die Kissen. Das Gefühl des Fallens, das den Schlaf ankündigte, stellte sich augenblicklich ein, rückwärts, das schnelle Einatmen, der tastende Griff nach dem Geländer. Und dann der Junge, seine Angst und sein Schrei, ihre eigene bodenlose Unzulänglichkeit. Sie öffnete mit einem Ruck die Augen. Auf der anderen Seite der Wand lachten die Teilnehmer einer Tagung. Sie war gleichzeitig mit ihrem Bus im Hotel angekommen, und es war ihr gelungen, als eine Teilnehmerin mit hineinzugelangen. Das hatte sie fürs Erste gerettet, aber jetzt genügte das nicht mehr. Wenn ihre alten Medikamente in der Nacht keine Wirkung zeigten, musste sie sich behandeln lassen. Der Gedanke machte ihr Angst, sie würde so leicht zu entdecken sein. Sie trank ein paar Schluck Wasser, ihre Arme waren steif und schwer, und sie versuchte sich wieder auf den Artikel zu konzentrieren.
    Eine Abrechnung in Unterweltkreisen. Die jugoslawische Mafia.
    Keine Verdächtigen, aber mehrere Spuren. Sie blätterte um. Ein Bild von einem Taxifahrer.
    Ihr Blick stockte, sie sah genauer hin und setzte sich, gegen die Kissen gelehnt, auf.
    Sie erkannte den Taxifahrer wieder, der sie nicht in sein schickes Auto hatte lassen wollen. Ein Reporter hatte mit ihm gesprochen.
    Er berichtete in dem Artikel, dass er in der betreffenden Nacht eine Frau aus dem Ölhafen gefahren habe, die nass wie eine ertränkte Katze gewesen sei. Die Polizei war daran interessiert, Kontakt zu der Frau aufzunehmen, um ihr einige Fragen zu stellen.
    Einige Fragen zu stellen.
    Sie sank wieder in die Kissen, schloss die Augen, atmete schnell.
    Was war, wenn nach ihr gefahndet wurde! Dann konnte sie sich auf keinen Fall in ärztliche Behandlung begeben.
    Sie stöhnte laut auf, atmete heftig und stoßweise, die Polizei suchte nach ihr.
    Keine Panik, dachte sie. Werd jetzt nicht hysterisch, vielleicht fahndet die Polizei überhaupt nicht nach dir.
    Sie zwang sich, ruhig zu werden, zwang sich zu einem ruhigeren Puls und zu langsamerem Atmen.
    Wie konnte sie herausfinden, ob nach ihr gefahndet wurde? Sie konnte ja schlecht anrufen und fragen, dann würde man sie binnen einer Viertelstunde holen. Sie konnte anrufen und ein wenig im Trüben fischen und so tun, als hätte sie Informationen zu dem Fall, und darauf hoffen, dass die Polizisten aus Versehen etwas ausplauderten.
    Sie nahm die Zeitung wieder auf, um den Schluss des Artikels zu lesen. Er enthielt nicht viel mehr Informationen, und es ging auch nicht daraus hervor, ob tatsächlich nach ihr gefahndet wurde.
    Dann sah sie den Namen unter dem

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