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Paradies

Paradies

Titel: Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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Großmutter in ihren Schoß und weinte.
    »Stirb jetzt bitte nicht, hörst du! Du stirbst mir jetzt nicht!«
    Langsam beruhigte sie sich. Es würde mindestens eine halbe Stunde dauern, bis der Krankenwagen kam. Als sie sich Rotze und Tränen mit der Rückseite der Hand abwischte, sah sie das Blut.
    Haut und Fleisch an ihrem linken Ringfinger waren gequetscht worden, als sie den Klapptisch weggehoben hatte. Blut war unter den Fingernägeln geronnen und lief über das Handgelenk herab.
    Im gleichen Augenblick spürte sie den Schmerz. Sie stöhnte, und der Raum um sie herum schwankte. Was war sie nur für eine Memme! Sie wickelte einen Spüllappen um die Wunde und verknotete ihn.
    Am besten wäre es, sie würde die Küche warm bekommen.
    Sie ging zum Herd, um Feuer zu machen, legte die Hand auf das Eisen. Es war kühl, aber nicht kalt, hier war seit dem frühen Morgen nicht mehr geheizt worden. Sie zerknüllte ein paar Zeitungsseiten, legte einen Holzscheit und etwas Birkenrinde in den Herd.
    Ihre Hand zitterte, als sie das Streichholz über die Reibfläche zog, ihr Finger schmerzte pochend. Mit dem nächsten Streichholz machte sie die Petroleumlampe an und stellte sie in Richtung See ans Fenster.
    Sie holte ein Kissen und legte es unter den Kopf der Großmutter, betrachtete nachdenklich das alte Gesicht. Sofia Katarina. Annika erinnerte sich, wie schön sie den Namen immer gefunden hatte.
    Sofia Katarina.
    Wo blieb denn dieser verdammte Krankenwagen?
    Sie sah sich in der Küche um. Es gab keine Spuren von frisch gekochtem Kaffee, Broten, Brei oder Mittagessen. Großmutter musste am frühen Morgen zusammengebrochen sein, gleich nachdem sie aufgestanden war, den Herd angeheizt und ihr Bett gemacht hatte. Das macht acht Stunden, dachte Annika. Acht Stunden. Ist das zu lang? Schafft sie das?
    Das Feuer brannte gut, und sie schob noch ein paar Holzscheite in den Herd. Die Wärme verbreitete sich unmerklich im Raum, die Kälte gab kampflos auf. Es war ein Haus, das an Wärme und Licht, Liebe und Harmonie gewöhnt war. Jetzt hatten die Bedingungen sich verändert.
    Ihre Großmutter bewegte den Kopf und stöhnte. Annikas Ohnmacht steigerte sich zu rasender Wut.
    Dieser verdammte, beschissene Krankenwagen, wo zum Teufel blieb er nur?
    Der Laubwald war dicht, in schlechtem Zustand, fast undurchdringlich, die Straße matschig und voller Löcher. Ratko fluchte, als das linke Hinterrad im Morast durchdrehte. Er hielt an, schaltete in den ersten Gang, trat vorsichtig auf das Gaspedal. Der kräftige Dieselmotor knurrte leise, das Rad kam frei, der Wagen kämpfte sich weiter. Er musste eigentlich da sein.
    Noch ein kleiner Baum war auf die Straße gefallen, und für einen Moment wurde er von unkontrollierbarer Wut erfasst. Er schlug hart gegen den Lenker, verdammt, verdammt, er hatte schon genug Hindernisse überwinden müssen. Mit einer heftigen Bewegung brachte er den Schalthebel in den Leerlauf und stieg aus, um die Birke wegzutragen. Er drückte den Stamm in den Straßengraben, sprang auf den kleinen Baum und erkannte plötzlich, dass er am Ziel war. Die Senke in der Landschaft, in der der Sattelschlepper stand, war nur zwanzig, dreißig Meter entfernt, das gelbe Fahrerhaus leuchtete zwischen den nackten, gespreizten Ästen der Laubbäume. Wenn der Baum nicht ausgerechnet hier umgefallen wäre, hätte er vermutlich nicht zurückgefunden. Das Schicksal strich ihm wie eine Feder über den Nacken, er verscheuchte sie.
    Er blieb eine Weile stehen und atmete, sein Atem hing wie eine Rauchwolke um ihn.
    Glück gab es nicht. Jeder Einzelne ist seines eigenen Glückes Schmied, das war seine feste Überzeugung. Dass sie den Lastwagen und die Stümper gefunden hatten, die ihn gestohlen hatten, war kein Glück, es war das Ergebnis eines jahrzehntelang aufgebauten Kontaktnetzes.
    Niemand konnte ihm entkommen, er fand sie immer. Diese Idioten glaubten wirklich, sie könnten ihn hereinlegen.
    Seine Euphorie darüber, dass sie den Lastwagen wiedergefunden hatten, verwandelte sich in ohnmächtige Wut, als sie den Sattelschlepper öffneten. Die Zigaretten waren weg. Jemand hatte sie versteckt, und die Jungen behaupteten, nicht zu wissen, wer oder wo.
    Ratko biss die Zähne aufeinander, bis seine Kiefer schmerzten.
    Es gab nur einen möglichen Grand, warum die Jungen nicht redeten. Sie hatten wirklich nicht die geringste Ahnung, wo sich die Ladung befand.
    Er zog die Handschuhe aus und steckte sich eine Zigarette an. Er rauchte sie langsam, bis zum

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