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Paradies

Paradies

Titel: Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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Zeitung, ihre homogen-inzestuöse Sicht der Dinge, der entsetzliche Mangel an Selbstkritik ermüdeten ihn.
    Als er sich hingesetzt und die Agenturmeldungen auf den Bildschirm geholt hatte, gab es nur noch einen alles überschattenden Gedanken in seinem Kopf:
    Wie zum Teufel sollte das weitergehen?
    Annika stieg beim Supermarkt aus dem Bus. Der Bürgersteig war höllisch glatt, sie zog die Schultern hoch, ignorierte die Blicke.
    Menschen in grellbunten Skianzügen flimmerten in den Augenwinkeln vorbei, sie wandte sich ab. Wenn sie glotzen wollten, sollten sie doch ruhig, sie ging ihren eigenen Weg. Die Straße war gestreut worden, sie trat auf die Fahrbahn und ging in Richtung Fabrik. Das Industriegebiet kollidierte mit dem massiven Grau des Himmels, es roch nach Schneematsch. Wie gewöhnlich vermied sie es, den stillgelegten Hochofen anzusehen, und schaute stattdessen nach links, ließ den Blick über die schöne, alte Arbeitersiedlung mit ihren leuchtend roten Holzfassaden schweifen.
    Zur Rechten lag ihre alte Wohnung, sie schielte in die Richtung.
    Bislang hatte sie leer gestanden, aber jetzt schien sie wieder bewohnt zu sein.
    Sie blieb überrascht auf der Straße stehen.
    Gardinen und Blumen am Fenster, eine kleine, kugelförmige Lampe.
    Jemand wohnte in ihrer Küche, schlief in ihrem Schlafzimmer.
    Jemand, der schmückte, Blumen goss, alles in Ordnung hielt.
    Die leeren Fensterlöcher waren wieder lebendig.
    Ihre Erleichterung verblüffte sie, sie war fast körperlich spürbar.
    Ein Stein fiel ihr vom Herzen. Sie wünschte sich plötzlich nicht mehr, einfach zu verschwinden. Zum ersten Mal seit den schrecklichen Ereignissen wurde sie von einer Welle der Zärtlichkeit für das Industriestädtchen ergriffen.
    Es ging mir hier auch gut, dachte sie. Manchmal hatten wir eine schöne Zeit. Es gab zwischendurch auch Liebe.
    Sie ließ den Ort hinter sich, kam zum Granhedsvägen, ging jetzt schneller und schob die Tasche höher auf die Schulter. Sie sah in den Himmel hinauf, hörte ein leichtes Säuseln in den Tannenspitzen, die Dunkelheit war nicht mehr weit.
    Ich frage mich, ob es auch auf anderen Planeten Bäume gibt, dachte sie.
    Die Straße war vereist und holprig, und sie ging etwas seitlich, um Halt zu finden. Ein paar Autos mit dunstigem Abblendlicht fuhren vorbei, aber niemand, den sie kannte.
    Die Stille wurde greifbarer. Das Knarren der Schuhe, ihre regelmäßigen Atemzüge, das diffuse Grollen eines Flugzeugs im Landeanflug auf den Flughafen Arlanda. Ihr Körper wurde leicht, tänzelnd, die Augen frei.
    Der Sturm hatte dem Wald übel mitgespielt. Auf dem Kahlschlag hinter dem Tallsjö waren fast alle Kiefernsetzlinge abgeknickt.
    Elektrizitäts- und Telefonmasten waren umgestürzt. Die Bäume waren umgeknickt und entwurzelt worden, in Mannshöhe abgebrochen, gespalten und in den Baumwipfeln geteilt worden. Die Fahrbahn war mit heruntergefegten Ästen bedeckt, sie musste über die Reste einer umgestürzten Birke steigen.
    Wie ausgeliefert wir sind, dachte sie. Wie wenig wir im Grunde steuern können.
    Die Auffahrt nach Lyckebo war nicht geräumt worden. Ein Auto war einen Tag zuvor dort gefahren, die Spuren waren zur doppelten Breite aufgetaut und anschließend wieder zu Eisrinnen gefroren. Sie kam nur schlecht voran, die Tasche schlug gegen ihre Hüfte.
    Die Straßenschranke am Eingang zu den Ländereien von Gut Harpsund stand offen, die Tannen schlossen sich um sie. Die Dunkelheit wurde dichter, hier hatte der Sturm nicht so große Schäden hinterlassen. Der Staat hatte die Mittel, seinen Wald zu pflegen.
    Sie kam an dem kleinen Bach vorbei, das Wasser, das aus dem Rohr herauskam, hatte eine Eisskulptur gebildet, unter der es irgendwo rieselte. Die Tierfährten kreuzten einander in unterschiedlichen Formen und Größen; Elch, Reh, Hase, Wildschwein. Die Spuren, die schon ein paar Tage alt waren, waren zu Riesenpfoten verlaufen.
    Dann öffnete sich der Wald zu der Lichtung mit den drei roten Häusern, der Hütte, dem Holzschuppen und der Scheune. Alles war still. Linker Hand lagen die Hütte mit dem Brennholzvorrat und die abschüssige Wiese zum Bootssteg hinab. Sie blieb stehen und zog Handschuhe und Mütze aus, ließ sich den vom See kommenden Wind ins Haar wehen, schloss die Augen und atmete.
    Das Bild der Lichtung lag noch als ein schwarzweißes Negativ auf ihrer Netzhaut, still, farblos, lautlos. Ganz allmählich nahm hinter ihren Augenlidern eine unbestimmbare Unruhe Form an, was stimmte hier

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