Paradies
verschwand rechts von ihr, und sie geriet ein wenig in Panik, bald waren sie da, bald war er fort, vielleicht würde sie nie wieder mit ihm sprechen.
»Wie lange wohnen Sie schon in Vaxholm?«, fragte sie etwas zu atemlos.
Er seufzte schwer, was sie irgendwie freute.
»Schon immer«, meinte er.
Sie sah ihn von der Seite an. Legte sich nicht ein verbitterter Zug um seinen Mund?
»Sind Sie es leid?«, fragte sie.
Er warf ihr einen abwartenden Blick zu.
»Wieso?«
»In dem Ort scheint nicht gerade viel los zu sein«, sagte sie. »Er erinnert mich an den Ort, aus dem ich komme. Hälleforsnäs.«
»Und da ist auch nichts los?«
Sie nahm einen Anlauf.
»Sie sind verheiratet?«
»Seit zwölf Jahren.«
Erneut betrachtete sie prüfend sein Profil.
»Das muss ja Verführung Minderjähriger gewesen sein«, meinte sie.
Er lachte.
»Der Verdacht stand im Raum. Müssen Sie hier raus?«
Sie schluckte. Mist.
»Ja, hier können Sie mich absetzen.«
Er fuhr heftig bremsend rechts ran und warf einen Blick in den Rückspiegel. Annika begriff, dass er nach dem Bus hinter ihnen Ausschau hielt. Sie stieg aus dem Wagen, nahm ihre Tasche und lehnte sich noch einmal zu ihm hinein.
»Danke fürs Mitnehmen.«
Aber er sah sie schon nicht mehr, seine Gedanken waren woanders.
»Gern geschehen.«
Es klickte und knisterte, als die Krankenschwester das Telefon in das Zimmer ihrer Großmutter rollte.
»Hallo?«, sagte Annika.
Rauschen im Telefonhörer.
»Großmutter?«
»Nein, hier spricht Barbro.«
Nicht Mama. Barbro.
»Wie geht es ihr?«
»Nicht so gut. Sie schläft jetzt.«
Schweigen, Distanz und der intensive Wille, eine Brücke zu bauen.
»Ich habe mir Informationen über Pflegeheime in Stockholm besorgt«, sagte Annika. »Es gibt mehrere auf Kungsholmen…«
»Das kommt gar nicht in Frage«, erwiderte ihre Mutter bestimmt und mit fester Stimme. Sie wollte keine Brücken. »Es muss eine Lösung in der örtlichen Gemeinde gefunden werden. Ich habe heute mit einem… mit einer Person gesprochen, er hat das gesagt.«
Neue Gefühle wallten in ihr auf. Sie war gekränkt, wütend, niedergeschlagen.
»Hast du etwa mit jemand von der Pflegeversicherung gesprochen? Mama! Ich habe doch gesagt, dass ich dabei sein will!«
»Du bist doch in Stockholm. Es muss aber jetzt eine Lösung gefunden werden.«
»Ich komme morgen. Ich muss nur vormittags noch etwas erledigen, dann komme ich.«
»Nein, das ist nicht nötig. Birgitta ist heute hier gewesen. Du wirst sehen, wir kriegen das schon hin.«
Sie schloss die Augen, legte die Hand an die Stirn, kämpfte dagegen, ausgeschlossen zu werden, gegen die Ungerechtigkeit, unterdrückte ihre Wut und sagte mit erstickter Stimme: »Dann bis morgen.«
FREITAG, 2. NOVEMBER
Thomas riss die Plastikfolie um den Anzug mit einem einzigen Ruck herunter, riss sich an dem scharfen Haken des Bügels die Hand auf und fluchte, diese verdammte Reinigung. Eleonor stöhnte zur gleichen Zeit über ein Loch in einem Paar Nylonstrümpfe.
»Neunundsiebzig Kronen«, sagte sie und warf sie in ihren Papierkorb neben dem Bett.
»Gibt es keine billigeren?«, wollte Thomas wissen und saugte an seinem Finger, um sich nicht mit Blut zu bekleckern.
»Nicht mit Shape-up«, sagte seine Frau und riss eine neue Verpackung auf. »Du weißt, dass Nisse und Ulrica heute Abend kommen?«
Er wandte sich ab und ging ins Badezimmer, um sich ein Pflaster zu holen. Dort angekommen, starrte er sich sekundenlang im Spiegel an, das nach hinten gekämmte Haar, das Hemd, die Krawatte, die Manschettenknöpfe, klebte ein kleines Pflaster auf die Fingerspitze und ging ins Schlafzimmer zurück. Eleonor schlängelte sich gerade in ihre neue Strumpfhose, die kaum über die Hüften ging, er schluckte.
»Müssen wir heute Abend Besuch bekommen?«, fragte er. »Ich würde mich lieber mit dir unterhalten. Wir haben einiges zu besprechen.«
»Jetzt nicht, Thomas«, erwiderte seine Frau und zog die Strumpfhose hoch, Bauch und Hüften saßen jetzt in einem Schraubstock.
Er ging um die Frau herum, umarmte sie von hinten, hielt eine BH-Brust mit Füllung in jeder Hand und hauchte in ihren Nacken.
»Wir könnten zusammen sein«, murmelte er, »nur wir zwei. Ein Glas Wein trinken, uns einen Film ansehen, uns unterhalten.«
Sie nahm seine Hände weg, ging zum Kleiderschrank, zog eine weiße Bluse an und hob einen Kleiderbügel mit einem schwarzen Rock heraus.
»Wir haben dieses Abendessen die ganze Woche geplant. Nisse und ich wollen ein
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