Paradies
Annikas Kopf, sie sah alles nur verschwommen. Sie meldete sich, ohne den Kopf vom Kissen zu heben.
»Es ist etwas Furchtbares passiert!«
Die Stimme war ein Schrei im Hörer.
Annika setzte sich ruckartig auf, das Herz schlug ihr bis zum Hals.
»Großmutter? Ist etwas mit Großmutter?«
»Hier spricht Mia Eriksson. Eine Frau ist verschwunden. Sie hat gesagt, dass sie alles der Gemeindeverwaltung erzählen würde, und Rebecka ist wahnsinnig wütend geworden!«
Annika strich sich mit der Hand über die Stirn und sank in die Kissen zurück. Die Panik klang ab, es war nichts passiert, alles würde gut werden.
»Was ist passiert?«
»Gestern gab es hier einen riesigen Krach, das wollte ich Ihnen erzählen. Ich glaube, es ist wichtig, dass Sie das erfahren.«
Annika wurde ärgerlich.
»Was hat das denn mit mir zu tun?«
»Die Frau hat behauptet, Sie zu kennen und Sie hätten ihr die Stiftung empfohlen. Sie heißt Aida Begovic und kommt aus Bijeljina in Bosnien.«
Annika schloss die Augen und spürte, wie ihr das Blut in den Kopf schoss. Das kann nicht sein, dachte sie, das kann einfach nicht sein.
»Was ist mit Aida?«, brachte sie mit hochrotem Kopf hervor.
»Sie hat gesagt, sie würde ihrer Gemeinde mitteilen, was für eine Betrügerin Rebecka sei, und dann hat Rebecka geschrien, sie solle verdammt vorsichtig sein mit dem, was sie da sage, denn sie wisse ganz genau, wer hinter Aida her sei. Das war gestern Abend, und jetzt ist Aida verschwunden!«
Die Frau am anderen Ende der Leitung begann zu weinen. Annika schüttelte den Kopf, um richtig wach zu werden und klar denken zu können.
»Warten Sie«, sagte sie, »immer mit der Ruhe. Das ist doch gar nicht so schlimm. Aida ist vielleicht nur einkaufen gegangen.«
»Sie kennen Rebecka nicht«, hauchte Maria Eriksson. »Sie hat das früher schon mal gesagt, im Vertrauen. Wer sie verrät, den bringt sie um.«
Annikas Magen krampfte sich zusammen.
»Nicht doch«, meinte sie. »Das ist doch nur leeres Gerede. Rebecka Björkstig lügt wie gedruckt, aber eine Mörderin ist sie nicht.
Werden Sie jetzt nicht paranoid.«
»Sie hat eine Waffe«, erwiderte Mia. »Das habe ich gesehen. Eine Pistole.«
Vor lauter Wut setzte Annika sich doch wieder im Bett auf.
»Sie will Ihnen doch nur Angst machen, begreifen Sie das nicht?
Sie will nur sicher sein, dass niemand etwas über die Methoden der Stiftung ausplaudert.«
Maria Eriksson klang alles andere als überzeugt.
»Wir verschwinden noch heute von hier. Ich werde nie wieder einen Fuß in dieses Haus setzen.«
»Wohin fahren Sie?«
Die Frau am anderen Ende der Leitung zögerte.
»Weg, wir fahren weg. Wir haben eine Hütte in einem Waldgebiet gefunden.«
Annika verstand. Sie hatte sich am Abend zuvor Maria Erikssons Unterlagen durchgelesen und wusste, warum sie niemals erzählte, wo sie sich aufhielt.
Beide schwiegen für eine Weile.
»Ich werde die Stiftung weiter unter die Lupe nehmen«, versprach Annika.
»Glauben Sie Rebecka Björkstig kein Wort«, antwortete Maria Eriksson.
Annika seufzte.
»Viel Glück.«
»Schreiben Sie nur, was Sie wirklich beweisen können«, sagte Maria Eriksson.
Die Stille legte sich dicht um sie, als sie aufgelegt hatte. Die Gardinen bauschten sich, die Schatten tanzten. Das
Paradies
wollte sie nicht loslassen.
Die Post plumpste auf den Fußboden des Flurs. Sie stand dankbar auf, nahm die Umschläge mit und öffnete sie auf der Toilette. Eine Gasrechnung, eine Werbesendung von einem Buchklub. Eine Einladung zu einem Klassentreffen ihrer alten Mittelstufenklasse.
»Lieber sterbe ich«, murmelte sie und warf alles außer der Rechnung in den Eimer für Binden.
Sie musste zur Zeitung.
Eva-Britt Qvist saß an ihrem Platz und sortierte ihre Blätterstapel.
»Ist die Liste gekommen?«
Die Redaktionssekretärin sah zu Annika auf.
»Deine Informanten scheinen nicht sehr zuverlässig zu sein«, meinte sie.
Annika schluckte eine passende Antwort herunter und lächelte stattdessen.
»Du kannst sie ja in mein Postfach legen, falls sie auftaucht.«
Sie drehte sich um, ohne eine Antwort abzuwarten. Dann brüte doch über deinem bescheuerten Fax, du altes Mäusehirn, dachte sie. Sie setzte sich an einen Computer mit Internet-Zugang und wählte sich in die Dafa ein.
»Du weißt ja, dass jede Internet-Recherche Geld kostet?«, sagte Eva-Britt Qvist von ihrem Platz aus.
Annika stand auf und ging zu der Redaktionssekretärin zurück, stemmte die Hände auf die Blätterstapel und
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