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Paradies

Paradies

Titel: Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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hier staubsaugen, sonst bekommen Sie noch Asthma.«
    Der Schneematsch auf dem Bürgersteig war gefroren, und es war schwierig, darauf zu gehen. Die Sonne verbreitete ein kaltes weißes Novemberlicht, das die Konturen glitzern ließ.
    Annika streckte ihr Gesicht den schrägen Sonnenstrahlen entgegen. Es hatte länger gedauert als geplant, die Informationen über die Stiftung auszuformulieren, die Sonne stand schon tief.
    Sie seufzte. Sie hatte Anders Schyman nicht alles erzählt. Sie hatte nicht berichtet, dass sie selber eine Frau in die Stiftung geschleust hatte, dass diese Frau verschwunden war und dass Rebecka Björkstig dieser Frau gedroht hatte.
    Wenn das denn tatsächlich stimmte.
    Sie schüttelte ihr Unbehagen ab, stieg in den Bus, fuhr zum Tegelbacken und ging zum Hauptbahnhof. Der nächste Zug nach Katrineholm ging in fünfunddreißig Minuten. Sie kaufte sich ein Sandwich und setzte sich mit dem Rücken zur Wartehalle auf eine Bank. Das Stimmengewirr hing wie Nebel hinter ihr, ihre Gedanken schweiften ab.
    Rebecka Agneta Charlotta, gefährlich und schwer greifbar.
    Thomas Samuelsson, reich und gut aussehend.
    Sie musste ihm erzählen, was sie herausgefunden hatte, die anderen Identitäten, die Ermittlungen. Sie aß das Brot auf, nahm ihre Sachen und ging zu den Telefonzellen.
    Der Sozialkämmerer war nicht mehr im Haus. Wollte sie eine Nachricht hinterlassen?
    Er war nicht mehr im Büro, war zu seiner Frau nach Hause gegangen.
    Nein, danke, keine Nachricht.
    Ihre Großmutter war in ein anderes Zimmer verlegt worden. Die elektronischen Apparate waren nicht mehr so auffällig, aber ansonsten sah alles genauso aus. Sie war wach, als Annika kam.
    »Entschuldige, dass ich nicht früher gekommen bin«, sagte Annika, zog ihren Mantel aus, ließ ihn in der Ecke hinter der Tür fallen und ging zu der alten Frau.
    Sofia Katarina sah leicht verwirrt zu ihr auf.
    »Barbro?«
    »Nein, ich bin es, Annika, Barbros Tochter.«
    Die alte Frau versuchte zu lächeln.
    »Mein Licht«, sagte sie mit gebrochener und atemloser Stimme wie bei einem Wispern. Die Worte waren undeutlich, die Augen trüb.
    Annika schnürte es die Brust zusammen, und die Tränen hingen wie ein Vorhang vor den Augen.
    »Habt ihr schon beschlossen, wo du demnächst wohnen wirst?«, fragte sie.
    Die Augen der Großmutter irrten blind durch den Raum und sahen Dinge aus anderen Zeiten.
    »Wohnen? Wir wohnten in Hästskon«, sagte sie, »wir bekamen ein Zimmer mit einem Herd mitten an der Wand…«
    Annika nahm die gelähmte Hand in ihre gesunden und strich sachte über die alten Finger, ihre Hoffnung schwand.
    »Habt ihr euch mit jemandem von der Pflegeversicherung getroffen? Weißt du, ob man ein Heim für dich gefunden hat?«
    »Ein einziges Zimmer hatten wir«, keuchte die alte Frau. »Mutter hat fünfzehn Männer beköstigt. Sie kochte das ganze Essen auf dem Herd an der Wand, und dann wusch sie auch noch, zehn Öre für ein Taschentuch, fünfzig Öre für einen Blaumann…«
    Annika leckte sich die Lippen, sie wusste nicht, wie sie reagieren und was sie sagen sollte, streichelte nur still den Arm der alten Frau. Dann verstummte ihre Großmutter, und der Brustkorb hob und senkte sich schnell und leicht, die Augen suchten im Gedächtnis.
    »Wir wurden vom Feueralarm geweckt, Mutter und ich«, flüsterte sie. »Es war noch dunkel, die Sirenen heulten immer weiter, die ganze Gießerei stand in Flammen. Wir liefen hinaus, es war warm draußen, ich hatte nur mein Nachthemd an. Das Feuer war so groß, die Flammen schlugen bis in den Himmel, es brannte und brannte…«
    Annika wusste, wovon ihre Großmutter sprach, vom großen Brand im Stahlwerk in der Nacht zum 21. August 1934. Sofia Katarina war damals fünfzehn gewesen.
    »Wir haben geholfen, Mutter und ich, wir haben Unterlagen aus den Büroräumen getragen, wichtige Papiere für die Fabrik. Vater hat in der Löschkette gestanden und Wassereimer aus dem Fluss weitergereicht. Dann ist die Feuerwehr aus Flen gekommen, und dann hat es angefangen zu regnen…«
    »Ich weiß«, sagte Annika leise. »Ihr habt mitgeholfen, Hälleforsnäs zu retten.«
    Die Großmutter nickte.
    »Als es hell wurde, ist dann der Pumplöschzug aus Eskilstuna eingetroffen. Arvid hat auch zu den Männern gehört, die gelöscht haben. Er hat gleich nach der Schule Arbeit in der Fabrik bekommen. Einundzwanzig Öre in der Stunde, zehn Kronen und zehn Öre in der Woche, das Erste, was er sich gekauft hat, war ein Fahrrad.«
    Sie versuchte zu

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