Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Paradies

Paradies

Titel: Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
Vom Netzwerk:
sozialdemokratischen Parteitag ab, wer neuer Parteisekretär und damit der Hoffnungsträger für die Zukunft der Arbeiterbewegung werden soll.
    Sie legte die Zeitung weg, ging hinaus und setzte sich in den Aufenthaltsraum. Dort schaltete sie den Fernseher ein, es lief ein Programm in türkischer Sprache. Man muss nicht in Stockholm leben, dachte sie. Man kann auch in Istanbul leben und bei Nese im Hotel arbeiten. Man kann in Katrineholm leben und seine Großmutter versorgen.
    Sie verweilte bei diesem Gedanken, drehte und wendete ihn.
    Warum nicht? Was sprach dagegen, dass sie den wichtigsten Menschen in ihrem Leben auch diesen Platz einnehmen ließ?
    Ihre Arbeit. Ihre Karriere, alles, woran sie im Journalismus geglaubt und wofür sie gekämpft hatte. Ihre Freunde, obwohl die ja nicht verschwanden, wenn sie umzog. Ihre Wohnung, aber wenn man ehrlich war, musste man zugeben, dass es eigentlich keinen Grund gab, sie zu vermissen.
    Plötzlich begann sie zu weinen. Sie sehnte sich nach dem Gefühl, das sie erfüllt hatte, als sie dort eingezogen war, erinnerte sich, wie das Licht die Räume durchflutet hatte, Wände und Decken leben und atmen ließ, an die Stille, den Frieden, die Lust weiterzumachen. Eigentlich hatte sie alles bekommen, und wohin hatte sie das gebracht?
    Ein alter Mann mit einer Gehhilfe und zwei lautstarke Frauen betraten den Fernsehraum, und Annika wischte sich schnell die Tränen aus dem Gesicht.
    »Sehen Sie sich das an?«, fragte eine der Frauen skeptisch.
    Annika schüttelte den Kopf, stand auf und ging. Die Frauen nahmen den Raum in Besitz.
    »Um fünf fängt ein Nachmittagskonzert an, das willst du doch bestimmt sehen, nicht wahr, Papa?«
    Der Korridor war recht dunkel, die Neonröhren an der Decke nicht eingeschaltet. Das Tageslicht schlich sich durch offene Türen, glänzte im Bohnerwachs des Fußbodens. Sie ging langsam zum Zimmer ihrer Großmutter, das stählerne Band legte sich wieder um ihre Brust. Die Sehnsucht war ihr noch geblieben, die Erinnerung an Momente, in denen die Atmung leicht und flüchtig war, die heißen Tage in Neses Hotel, die warmen Augenblicke mit Sven. Sie lehnte die Stirn an den Türpfosten, sie sehnte sich nach Liebe, nach Sinn. Sie schluckte, tastete die Hosentasche ab, fand Kleingeld. Sie ging zu der engen Telefonzelle vor der Station und suchte die Nummer im Telefonbuch heraus, die Privatnummer.
    Östra Ekuddsgatan. Wählte sieben Ziffern, zögerte bei der achten, drückte sie schließlich. Es klingelte ein, zwei, drei Mal.
    »Samuelsson.«
    Eine Frau. Sie hatten den gleichen Nachnamen.
    »Hallo?«
    Hatte sie seinen oder er ihren angenommen?
    »Ist da jemand? Hallo?«
    Sie legte auf, ohne etwas zu sagen. Das war alles ein Fehler, er lag ihr schwer im Magen. Sie ging zurück und sah nach ihrer Großmutter, die immer noch schlief, und kehrte dann in den leeren Fernsehraum zurück. Sie versuchte zu atmen, versuchte zu lesen.
    Das wird schon. Alles wird gut.
    »Wer war dran?«, fragte Thomas.
    Er stand mit dem Rücken zu ihr, und als sie nicht antwortete, warf er einen Blick über die Schulter. Eleonor sah ihn forschend und abwartend an.
    »Es war niemand. Wartest du auf einen Anruf?«
    Er drehte sich um und wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Messer zu.
    »Nein, ganz und gar nicht, sollte ich das?«
    »Es ist nur so seltsam, wenn niemand etwas sagt.«
    »War sicher falsch verbunden«, meinte Thomas und hackte die letzten Reste der Zwiebel klein. »Reichst du mir das Öl?«
    Sie hielt ihm die Flasche mit Maisöl hin, es vertrug höhere Temperaturen. Thomas goss die Flüssigkeit in einem dünnen, verschnörkelten Strahl in die Pfanne.
    »Wir hätten uns einen Gasherd anschaffen sollen«, sagte Eleonor.
    »Der ist viel besser, wenn man mit dem Wok kocht. Vielleicht könnten wir ja einen Gasherd einbauen lassen, wenn wir die Küche renovieren, was meinst du?«
    »Es geht auch so ganz gut«, erwiderte Thomas und rührte wie wild in den Zwiebeln.
    Eleonor stellte sich neben ihn und küsste ihn auf die Wange.
    »Du kannst gut kochen«, sagte sie.
    Er antwortete nicht, kippte stattdessen die Hähnchenfiletstreifen hinein und rührte weiter. Dann gab er die Fischsauce hinzu, wobei ihm wie immer der Geruch nach Geschlecht auffiel, und würzte das Ganze mit Chilipaste, eingelegtem Koriander und frischem Basilikum.
    »Kannst du bitte die Kokosmilch aufmachen?«
    Eleonor reichte ihm die bereits geöffnete Dose.
    »Das hätten wir«, sagte Thomas, als alles anfing

Weitere Kostenlose Bücher