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Paradies

Paradies

Titel: Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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egal«, antwortete er. »Entscheide du.«

SONNTAG, 4. NOVEMBER
    Annika hasste Sonntage. Sie nahmen einfach kein Ende. Alle widmeten sich irgendwelchem Blödsinn und verschwendeten Energie auf sinnlose Dinge, um sich damit die Zeit zu vertreiben. Die ganze Gesellschaft gruppierte sich um eine hohle Idylle, Picknick machen, ins Museum gehen, die Kinder tätscheln, grillen. Der normale, Angst eindämmende Alltag war abgestellt, ausgesteckt.
    Der einzige triftige Grund, um dieser Sonntagsgemeinschaft zu entkommen, war die Arbeit, darauf konnte sie es schieben, sie musste sich ausruhen, schlafen, dösen, um die Nachtschicht durchzuhalten.
    Gott sei Dank musste sie heute Abend wieder in der Redaktion sein.
    Ihre Mutter und Birgitta kamen nach dem Mittagessen auf die Station. Sie saßen zu dritt zusammen und unterhielten sich mit Großmutter. Annika konnte bereits ein Muster erkennen: Arvid, die Fabrik, die Eltern, vor allem die Mutter, die kleine Schwester, die gestorben war. Nach einer guten Stunde war die alte Frau müde und schlief ein. Sie gingen zur Cafeteria hinunter, die natürlich geschlossen war, Sonntag Ruhetag, und kauften Rumkugeln und Kaffee aus dem Automaten.
    »Das ist keine gute Umgebung für sie«, sagte Annika. »Großmutter muss in ein ordentliches Rehabilitationszentrum, je schneller, desto besser.«
    »Was sollen wir denn machen«, erwiderte Birgitta, »wenn es keine freien Plätze gibt? Hast du darüber schon einmal nachgedacht?«
    Annika blickte erstaunt in das distanzierte und aggressive Gesicht ihrer jüngeren Schwester.
    Sie steht auf Mamas Seite, fuhr es ihr durch den Kopf. Sie mag mich auch nicht.
    »Ja«, sagte Annika, »ich habe darüber nachgedacht. Ich könnte mich vielleicht um sie kümmern.«
    »Du?«, sagte ihre Mutter verächtlich. »Das kann ja schön werden in dieser furchtbaren, unkomfortablen Wohnung. Ich begreife nicht, wie du es da aushältst.«
    Plötzlich war Annika den Tränen nah und konnte nicht mehr. Sie stand auf, zog ihre Jacke an, hängte sich die Tasche über die Schulter und sah ihre Mutter an.
    »Trefft keine Entscheidungen, ohne erst mit mir gesprochen zu haben«, sagte sie.
    Sie wandte sich ihrer Schwester zu.
    »Bis bald.«
    Dann drehte sie sich um und ging auf den Parkplatz hinaus. Die Sonne schien, diesiges Licht, Schnee auf der Erde, knarzende Schuhe. Es war kalt. Sie wickelte sich den Schal um den Kopf, atmete mit offenem Mund, die Tränen standen ihr in den Augen.
    Der Bahnhof. Sie musste nach Hause. Fort.
    Sjölander saß an Janssons Schreibtisch und trank Kaffee, als sie in die Redaktion kam. Es war schon dunkel, die Wirklichkeit überschaubar, die Redaktion noch still, fließend, fast verlassen. Eigentlich fing ihr Dienst erst in ein paar Stunden an, aber sie hielt es nicht länger aus, allein zu sein. Der Zug hatte wegen eines Signalfehlers vor Södertälje auf offener Strecke gestanden, und sie war vom Hauptbahnhof direkt zur Zeitung gefahren.
    »Also, was haben wir?«, fragte Jansson, klapperte auf der Tastatur und schrieb seine Notizen direkt in den Computer.
    »Eine ganze Menge«, erwiderte Sjölander und legte seine Aufzeichnungen auf den Schreibtisch.
    »Und was können wir bringen?«, erkundigte sich Jansson, ohne den Bildschirm aus den Augen zu lassen.
    »Fast alles«, antwortete Sjölander.
    »Worum geht es?«, fragte Annika, setzte sich hin, holte Notizblock und Stift heraus und schaltete den Computer ein. »Die kurdische Frau?«
    »Ja«, antwortete Jansson. »Eine idiotische Geschichte. Fünftausend Zeugen, und kein Mensch hat was gesehen.«
    »Die Polizei hat die Kleider des Mörders gefunden«, ergänzte Sjölander, »braune Handschuhe, dunkelgrüne Popelinjacke. Die Handschuhe wurden bei Ahlens gleich nebenan gekauft und sind mit Fingerabdrücken übersät, bislang sind schon achtzehn Abdrücke identifiziert worden, die meisten von verschiedenen Personen. Die Jacke war klinisch rein, wenn man von den Spuren des Rückstoßes, Schmauchspuren auf dem Ärmel, absieht.«
    »Dann haben sie seinen Wäschekorb aufgespürt, oder was?«, fragte Jansson.
    »Papierkorb. Die Kleider lagen im Müll in einem Papierkorb in der U-Bahn-Station.«
    Annika lehnte sich zurück, die Routine begann in ihrer Brust zu surren, willkommen und wohl bekannt.
    »Und keiner hat etwas gesehen?«, fragte sie nach.
    »Oh, doch«, meinte Sjölander, »hundert Personen haben einen dunkel gekleideten Mann beschrieben, der vielleicht Schwede war, vielleicht auch Türke,

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