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Paradiessucher

Paradiessucher

Titel: Paradiessucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rena Dumont
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Schädel gegen die Wand hauen. Lydia findet mich albern, macht sich lustig über mich, spricht mies von »ihm« und rät mir, mich an einen anderen ranzumachen.
    »Blöde Kuh, das sagt sich so leicht! Angel dir einen anderen! Du spinnst! Man merkt, dass du noch nie verliebt warst! Du bist eben noch nicht erwachsen!«
    »Vielleicht hast du recht, aber dieser Marian ist nix für dich. Er ist für keine Frau gut. Er ist ein Arsch. Das merkt man sofort. Du siehst einfach der Realität nicht ins Auge. Und außerdem finde ich ihn gar nicht so schön, wie du sagst. Ich kann gar nicht nachvollziehen, dass du auf ihn abfährst«, antwortet sie energisch.
    »Er ist schön!«
    »Das bildest du dir ein«, sagt sie.
    »Alle stehen auf ihn!«
    »Nur olle Schachteln.«
    »Du bist doch bloß neidisch!«
    »Bin ich nicht!«
    »Leck mich am Arsch!«
    »So weit kommt’s noch!«, sagt sie.
    Ich halte einen Moment inne und denke nach. Marcela, die neue Slowakin, lackiert mit einem durchsichtigen Nagellack mit goldenen Pünktchen still ihre Zehennägel und grinst frech.
    »Und wen bitte soll ich mir denn angeln? Weißt du vielleicht jemanden?«
    »Zdenëk. Zum Beispiel«, sagt sie plötzlich.
    »Zdenëk, der aus Košice? Iiiih!«
    »Wieso?«
    »Der ist zu dünn. Der hat keine Muskeln!«
    »Der ist aber hübscher.«
    »Und warum angelst du dir den nicht selber, wenn du ihn so toll findest?«
    »Ich? Och, nee. Mir ist der zu dünn.«
    »Blöde Kuh!«
    Ich schmeiße mit einem kleinen Teddybärchen nach ihr, das auf Marcelas Bett thront. Leider treffe ich das Waschbecken statt Lydia. Marcela springt eilig auf und rettet das Plüschtier vor dem Ertrinken. Einige Socken baden dort im Seifenwasser. Anscheinend hat der Teddy eine besondere Bedeutung. Er trieft. Sie flucht mörderisch. Übertrieben.
    So geht es seit einer Woche. Ich denke mittlerweile ernsthaft über Zdenëk aus Košice nach. Leider verliebe ich mich nicht in ihn, es geht einfach nicht. Für mich ist er leere Materie, Luft, ein Nichts.
    Ich zünde mir eine Zigarette an. Der Albaner spart nicht mehr mit Tabak. Ich würde sagen, dass ich eine ordentliche Zigarette rauche. Lydia ist diesmal nicht dabei, sie darf wahrscheinlich nicht kommen. Ihre Eltern sind streng, irgendwie religiös, manchmal darf sie einfach das Zimmer nicht verlassen.
    Marian öffnet die Tür, ohne anzuklopfen. Mir fällt die Zigarette aus der Hand. Er flüstert etwas zu den Typen, die da wohnen, bemerkt mich aber gleich und schaut aus den Augenwinkeln in meine Richtung. Ich atme kaum, bin wahnsinnig aufgeregt, halte mühsam meine lächerliche Fassade aufrecht. Und dann geschieht das Unglaublichste. Er geht zu mir, küsst mich leicht auf die Lippen, nimmt meinen Arm und zieht mich an sich. Dann packt er mich von hinten an den Schultern und führt mich aus dem Zimmer. Draußen im Flur falle ich ihm sofort in die Arme, und wir küssen uns. Es dauert lange, und ich bin der glücklichste Mensch auf Erden. Ich bedeute ihm etwas, ich bin in seinen Augen kein geschlechtsloser Kumpel, und meine Unreife stößt ihn nicht ab.
    Wir können gar nicht aufhören, sind ineinander verschlungen wie zwei Schlangen. Ich kann nur hoffen, dass Mutter nicht zufällig auftaucht. Oder sonst jemand. Unsere Zuschauer – ich bin sicher, dass es welche gibt – kriegen was geboten. Ich denke gar nicht daran aufzuhören. Wie eine Betrunkene, hemmungslos, falle ich diesem Menschen um den Hals. Seine Hand löst sich von meinem Hals und bewegt sich tiefer in Richtung Brust. Ich zucke zusammen und löse mich leicht von ihm. Die Show ist zu Ende, würde ich den Spannern am liebsten zurufen. Leider bin ich dazu gezwungen, seine Hand abzustreifen, auch wenn meine Brust innig darauf pocht, berührt zu werden. Den Anblick gönne ich den Arschlöchern nicht.
    »Marian, lass uns hier weggehen.«
    Wir fahren mit einem fremden Auto irgendwohin. Mutter hat nichts mitgekriegt. Die Spanner grinsen widerlich, während Marian aus der Parklücke herausfährt. Ich bin mir nicht mehr so sicher, ob es richtig ist, was ich da tue. Ich komme mir vor wie ein gestohlenes Kind, er mir wie ein geiler alter Bock. Am liebsten würde ich aussteigen, traue mich aber nicht, es ihm zu sagen. Noch lieber würde ich mit ihm Bötchen fahren gehen oder eine Cola trinken. All das lieber, als in ein Hotel zu fahren. Wahrscheinlich in ein Stundenhotel, wo schon Hunderte Paare vor uns ihren Schleim abgelassen haben und ihr Geruch in den braunen Tapeten haftet wie kalter

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