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Paradiessucher

Paradiessucher

Titel: Paradiessucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rena Dumont
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ist diese mickrige Bootsfahrt eine alte Leier für ihn, bei der sich nur die Gesichter der Frauen abwechseln.
    An einem einsamen Ort steigen wir aus.
    »Ich zeige dir einen tollen Wasserfall«, sagt er. »Keiner im Lager hat jemals diesen Wasserfall gesehen.«
    Das stimmt. Von einem Wasserfall höre ich zum ersten Mal.
    »Man kann ihn nur vom See aus erreichen. Kein Flüchtling, selbst wenn er mit Schwarzarbeit gut verdient, leiht sich ein Bötchen, um einen Wasserfall zu sehen.«
    Die Flüchtlinge interessieren sich für die Städte, den Konsum, das Westliche, das Bunte. Natur gibt es auch »zu Hause«, das ist nichts Besonderes. Ich bin verblüfft über das, was er sagt. Es widerlegt alles, was ich über ihn zu wissen glaubte.
    »Ich, ich … wusste nicht, dass du so denkst.«
    Ich betrachte die unbeschreibliche Schönheit dieses alten, nebligen Waldes. »Es ist wunderschön hier. Wir sind hier in den Bergen, aber die Natur, die ich gesehen habe, als wir quer durch Deutschland reisten, ist nicht so wild wie zu Hause. Sie ist so geordnet. Bei uns gibt es keine Felder, die wie bunte Vierecke aufgereiht sind, als hätte man sie mit einem riesigen Lineal gezogen. Fällt dir das auch auf? Es wird bei uns garantiert nicht so viel Geld für Zäune ausgegeben.«
    »Ja, ja, sicher … Vierecke. Die Touristen besuchen den Wasserfall sehr häufig. Normalerweise.«
    Alles klar. Also ist heute wegen des schlechten Wetters kein Mensch da. Raffiniert durchdacht. Sicherlich will er mit mir allein sein und die ersten Annäherungsversuche machen. Wir gehen. Wir plaudern. Nichts passiert. Er berührt mich zärtlich am Arm, wenn der Pfad zu schmal und durch dicke Baumwurzeln schlecht begehbar ist, sagt »langsam, langsam« auf Tschechisch. Das imponiert mir. Er erklärt, wie die Bäume auf Deutsch und Jugoslawisch heißen, reißt keinen Grashalm aus, schiebt behutsam jedes Hindernis beiseite, damit die Natur an uns ja keinen Schaden nimmt, schaut in die Baumkronen und atmet tief die feuchte Luft ein. Weiter geschieht nichts. Es verwirrt mich. Das soll der Schürzenjäger vom Lager sein? Dass ich nicht lache. Das soll der Schürzenjäger von Königssee sein, frage ich mich unentwegt und beobachte die braunen Locken, die bei jedem Schritt wippen, als wäre er ein Prinz. Vielleicht mag er mich als Kumpel.
    Ich bin enttäuscht. Grauen. Das wäre furchtbar. Meine Begierde wächst mit jedem Schritt. Bedauerlich, dass ich kein Mann bin. Ich nähme mir einfach, was ich will. Ich würde sofort handeln, mich an ihn heranschmeißen und ihn abküssen. Ihn zu Boden werfen, ihm die Kleider vom Leib reißen und ficken. So ficken, dass wir die Kälte nicht mehr spüren. Bis wir erschöpft und dreckig vor Lust und Erde auf dem duftenden Waldboden liegen bleiben. Aber so? Als Frau? Als nicht einmal erwachsene Frau? Als Unfrau? Verpickelter Teenager. Siebzehnjährige Idiotin. Welch ein Unalter. Daran muss es liegen. Wie tragisch. Wenn ich wenigstens ein Jahr älter wäre. Ich seufze und steige mit feuchter Unterhose ins Bötchen zurück. Scheiße.
    Mutter wartet nervös im Zimmer. Sie fragt nicht, was wir gemacht haben, sie denkt wahrscheinlich, dass wir wilden Sex hatten. Wie sehr ich ihr sagen möchte, dass sie beruhigt sein kann, dass nichts geschehen ist, dass er nicht auf mich steht und dass aus der Lovestory nichts wird. Dass ich ausgesprochen unglücklich bin, Pavel längst vergessen habe und nur mit »ihm« zusammen sein will. Nichts davon kann ich ihr sagen. Ich wurde nicht dazu erzogen, einem Menschen solche Dinge anzuvertrauen. Nicht mal Drobina würde ich es erzählen.
    Mama schminkt ihren gestohlenen Lidschatten ab, raucht noch eine und geht ins Bett. Im Bett erwähne ich kurz etwas von einem Wasserfall.

SPITZES KORN STICHT IN DEN ARSCH
    Nach einer qualvollen Woche nervösen Wartens, heißester Träume und zügelloser Wunschvorstellungen taucht »er« im Sporthotel auf. Das höre ich von den Leuten. Er meldet sich nicht bei mir. Ich bin verraten, verlassen, leide wie ein Hund. Zwei Tage lang.
    Am dritten Tag treffe ich ihn zufällig. Wie immer. Das ärgert mich. Wäre ich nicht zufällig um die betreffende Zeit am betreffenden Ort gewesen, wäre ich ihm nicht begegnet. Er wäre wieder für Wochen weg gewesen. Ich bin nicht Herr der Lage. Er ist es. Ihn stört mein Zorn nicht mal, ich bin ihm schnuppe. Er grüßt mich freundlich, fragt nach Banalitäten, verabredet sich nicht mit mir. Das Herz schmerzt. Ich kann nur heulen und meinen

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